Leitsatz (amtlich)

1. Die Bestellung von vier Betreuern mit Einzelvertretungsmacht hinsichtlich des gesamten Aufgabenkreises muss durch besondere Umstände des Einzelfalles gerechtfertigt sein.

2. Das Gericht der weiteren Beschwerde kann die landgerichtliche Entscheidung betreffend eine Betreuerbestellung auch dann insgesamt aufheben und die Sache zurückverweisen, wenn nur einzelne abtrennbare Teile der Entscheidung rechtlich zu beanstanden sind.

 

Normenkette

BGB § 1899 Abs. 1 u. 3; FGG § 27

 

Verfahrensgang

LG Traunstein (Beschluss vom 28.04.2003; Aktenzeichen 4 T 226/03)

AG Rosenheim (Aktenzeichen XVII 850/02)

 

Tenor

I. Der Beschluss des LG Traunstein vom 28.4.2003 wird aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG Traunstein zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Das AG bestellte am 13.1.2003 auf Anregung des Vermieters der Betroffenen für diese auf die Dauer von fünf Jahren vier Mitarbeiterinnen eines Betreuungsvereins, jeweils mit Einzelvertretungsbefugnis, als Betreuerinnen für die Aufgabenkreise Vermögenssorge, Vertretung ggü. Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitsfürsorge je für psychiatrische Behandlung sowie Wohnungsangelegenheiten.

Das LG hat die von der Betroffenen hiergegen eingelegte Beschwerde am 28.4.2003 zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Betroffenen.

II. Die weitere Beschwerde ist zulässig. In der Sache führt sie aus Rechtsgründen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das LG.

1. Das LG hat ausgeführt, die Betroffene leide an einem Verfolgungswahn. Aufgrund dieser psychischen Krankheit könne sie ihre Angelegenheiten in den genannten Aufgabenkreisen nicht mehr besorgen und bedürfe daher eines Betreuers. Die Bestellung von vier Vereinsbetreuerinnen mit Einzelvertretungsmacht wurde vom LG nicht beanstandet.

2. Dies hält der rechtlichen Überprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) nicht in vollem Umfang stand.

a) Die Bestellung eines Betreuers setzt voraus, dass der Betroffene aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann (§ 1896 Abs. 1 S. 1 BGB). Lehnt der Betroffene eine Betreuung ab, darf für ihn ein Betreuer nur bestellt werden, wenn er wegen seiner Krankheit oder Behinderung nicht im Stande ist, seinen Willen frei zu bestimmen (vgl. BayObLG v. 25.7.1994 – 3Z BR 97/94, BayObLGReport 1994, 76 = BayObLGZ 1994, 209 [211]; BayObLG v. 20.5.1999 – 3Z BR 150/99, BayObLGReport 1999, 87 = FamRZ 2000, 189). Nach § 1896 Abs. 2 S. 1 BGB darf ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist; dies bedarf für jeden einzelnen Aufgabenkreis der Konkretisierung (BayObLG v. 25.7.1994 – 3Z BR 97/94, BayObLGReport 1994, 76 = BayObLGZ 1994, 209 [212]).

Zum Betreuer bestellt das VormG eine natürliche Person, die geeignet ist, in dem gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen und ihn in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen (§ 1897 Abs. 1 BGB). Das VormG kann mehrere Betreuer bestellen, wenn die Angelegenheiten des Betreuten hierdurch besser besorgt werden können. In diesem Falle bestimmt es, welcher Betreuer mit welchem Aufgabenkreis betraut wird (§ 1899 Abs. 1 BGB). Soweit mehrere Betreuer mit demselben Aufgabenkreis betraut werden, können sie die Angelegenheiten des Betreuten nur gemeinsam besorgen, es sei denn, dass das Gericht etwas anderes bestimmt hat oder mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist (§ 1899 Abs. 3 BGB). Das Abweichen von dem in diesen Vorschriften zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Einzelbetreuung muss durch besondere Umstände gerechtfertigt sein (vgl. BayObLG v. 11.12.1996 – 3Z BR 277/96, BayObLGReport 1997, 20 = FamRZ 1997, 1502).

b) Die Feststellungen des LG zum Vorliegen einer psychischen Krankheit begegnen entgegen der mit dem Rechtsmittel geäußerten Meinung keinen rechtlichen Bedenken. Aus dem Gutachten des Sachverständigen ergibt sich klar, dass die Betroffene an einem Verfolgungswahn erheblicher Schwere leidet. Die im Gutachten angeführten Befunde sind eindeutig und deckungsgleich mit den Angaben der Betreuungsbehörde und letztlich auch jenen des Vermieters in der Anregung, einen Betreuer zu bestellen. Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Frage, in welchem Zustand sich die Wohnung der Betroffenen befindet bzw. befunden hat. Der Sozialbericht der Betreuungsbehörde spricht von „recht verwahrlost”, der Sachverständige von „nahezu verwahrlost”, eine der Betreuerinnen von „unaufgeräumt, chaotisch, aber nicht verwahrlost”. Dies kann bei der Beurteilung des Betreuungsbedarfs und bei dem Zuschnitt des Aufgabenkreises des Betreuers eine Rolle spielen. Für das Bestehen eines Verfolgungswahns lässt sich hieraus nichts herleiten. Deshalb kann hier dahinstehen, ob der Rippenbruch der Betroffenen der Grund für die ...

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