Leitsatz (amtlich)
›Hat der Betroffene sein Ausbleiben in der Hauptverhandlung entschuldigt, darf das Gericht ihn nicht ohne entsprechenden Antrag vom persönlichen Erscheinen entbinden und die Hauptverhandlung in seiner Abwesenheit durchführen, auch wenn er durch einen Verteidiger vertreten ist.‹
Tatbestand
Am 13.7.1999 hat das Amtsgericht den Betroffenen, der in der Hauptverhandlung nicht anwesend war, wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit zu einer Geldbuße von 200 DM verurteilt und daneben ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat angeordnet.
Mit seiner Rechtsbeschwerde rügte der Betroffene die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Mit der Verfahrensrüge beanstandete er u.a., daß das Amtsgericht sein Anwesenheitsrecht verletzt habe.
Entscheidungsgründe
Das statthafte (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr.2 OWiG) und auch im übrigen zulässige Rechtsmittel hat mit der Verfahrensrüge der Verletzung der §§ 230 Abs. 1, 338 Nr. 5 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 und § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG Erfolg, so daß es auf die übrigen Rügen nicht ankommt.
Die Verfahrensrüge entspricht den formellen Erfordernissen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG). Die Verfahrensrüge der Verletzung des Anwesenheitsrechts des Betroffenen ist auch begründet.
Nach dem vom Akteninhalt bestätigten Beschwerdevorbringen war der Betroffene in der Hauptverhandlung nicht anwesend. Zu deren Beginn hat sein Verteidiger ein ärztliches Attest übergeben, wonach der Betroffene wegen eines hoch fieberhaften Infekts mit hochgradiger Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens nicht reisefähig war. Ein Antrag auf Entbindung des Betroffenen vom persönlichen Erscheinen (§ 73 Abs. 2 OWiG) war weder vom Betroffenen vor der Hauptverhandlung noch vom Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellt worden. Dennoch hat das Amtsgericht nach Vorlage des ärztlichen Attestes beschlossen, den Betroffenen vom persönlichen Erscheinen zu entbinden, und hat die Hauptverhandlung ohne den Betroffenen durchgeführt.
Da der Betroffene sein Ausbleiben entschuldigt hatte, hätte das Amtsgericht nicht nach § 74 Abs. 1 die Hauptverhandlung in seiner Abwesenheit durchführen dürfen (Göhler OWiG 12.Aufl. § 73 Rn. 19 m.w.N.). Der Umstand, daß der Betroffene in der Hauptverhandlung durch einen Verteidiger vertreten wird, beseitigt nicht seinen Anspruch auf persönliche Anwesenheit in der Hauptverhandlung (BayObLGSt 1975, 52; BayObLG VRS 50, 51/52). Auf sein Anwesenheitsrecht könnte sich der Betroffene nur dann nicht mehr berufen, wenn er einen Entbindungsantrag nach § 73 Abs. 2 OWiG gestellt oder auf andere Weise eindeutig sein Einverständnis mit einer Entscheidung in seiner Abwesenheit zum Ausdruck gebracht hätte.
Auf dem Verfahrensmangel beruht das Urteil.
Fundstellen
Haufe-Index 2993782 |
DAR 2000, 174 |
NStZ-RR 2000, 149 |
NZV 2000, 381 |
VRS 98, 287 |
NPA 2000 |