Leitsatz (amtlich)

1. Die Entscheidung des Gerichts über einen Antrag auf Entbinden des Betroffenen von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung nach § 73 Abs. 2 OWiG betrifft nur die nächste Hauptverhandlung und wird mit der Aussetzung oder Verlegung unwirksam, wirkt mithin nicht für weitere Hauptverhandlungstermine fort.

2. Zur Stellung eines Antrags auf Entbinden des Betroffenen von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung durch einen Verteidiger oder sonstigen Vertreter bedarf es einer über die Verteidigungsvollmacht hinausgehenden besonderen Vertretungsvollmacht.

 

Verfahrensgang

AG Brandenburg (Urteil vom 16.01.2009)

 

Tenor

Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 16. Januar 2009 wird als unbegründet verworfen.

Der Betroffene trägt die Kosten des Rechtsmittelverfahrens und die ihm in diesem erwachsenen notwendigen Auslagen.

 

Gründe

I.

Die Zentrale Bußgeldstelle des Zentraldienstes der Polizei des Landes Brandenburg hat mit Bescheid vom 16. November 2007 gegen den Betroffenen wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 32 km/h, begangen am 20. August 2007 gegen 17:41 Uhr auf der Bundesautobahn 10, Kilometer 107,6 (Autobahndreieck Werder), Fahrtrichtung Autobahndreieck Potsdam, eine Geldbuße in Höhe von 90,00 EUR festgesetzt. Nachdem der Betroffene gegen den Bußgeldbescheid rechtzeitig Einspruch eingelegt hatte, hat das Amtsgericht Brandenburg an der Havel, nach bereits mehrfach erfolgten Terminsverlegungen wegen Verhinderung des Verteidigers des Betroffenen, mit Verfügung vom 21. Juli 2008 Termin zur Hauptverhandlung auf den 1. Oktober 2008 anberaumt. Mit Anwaltsschreiben vom 1. Oktober 2008 hat der Betroffene sinngemäß beantragt, ihn von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden. Dem ist das Amtsgericht Brandenburg an der Havel in der Hauptverhandlung am selben Tag durch Beschluss nachgekommen. Das Verfahren wurde ausgesetzt. Nachdem das Amtsgericht einen weiteren, auf den 29. Dezember 2008 anberaumten Hauptverhandlungstermin wegen Verhinderung des Verteidigers des Betroffenen aufgehoben hatte, bestimmte der Bußgeldrichter mit Verfügung vom 1. Dezember 2008 Termin zur Hauptverhandlung auf den 16. Januar 2009. Hierzu wurde der Betroffene ausweislich der Postzustellungsurkunde am 14. Dezember 2008 förmlich geladen. Unter dem Datum des 16. Januar 2009 verfasste der Verteidiger des Betroffenen einen Schriftsatz des Inhalts: "In der Bußgeldsache gegen Herrn [...] ist der Betroffene am heutigen Tag beruflich verhindert, kann und will nicht am Termin teilnehmen" . Im Hauptverhandlungstermin am selben Tag, dem 16. Januar 2009, überreichte der Verteidiger des Betroffenen den oben zitierten Schriftsatz vom selben Tag dem Gericht. Auf die Frage des Vorsitzenden, ob der Betroffene einen Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung stelle, erklärte der Verteidiger ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls: "Ich gebe keine Stellungnahme ab" . Hierauf hat das Amtsgericht Brandenburg an der Havel mit Urteil vom 16. Januar 2009 den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle des Zentraldienstes der Polizei des Landes Brandenburg vom 16. November 2007 verworfen, und zur Begründung ausgeführt, dass der Betroffene trotz ordnungsgemäßer Ladung zur Hauptverhandlung nicht erschienen war.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der am 20. Januar 2009 bei Gericht eingegangene Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Nach Zustellung der Urteilsausfertigung am 24. Januar 2009 begründete der Betroffene mit Anwaltsschriftsatz vom 16. Februar 2009, eingegangen bei Gericht am 18. Februar 2009, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde mit Versagung rechtlichen Gehörs. Der Betroffene ist der Auffassung, dass der im Hauptverhandlungstermin vorgelegte Schriftsatz des Verteidigers vom 1. Oktober 2008 als Antrag von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung auszulegen sei, überdies hätte der in gleicher Hinsicht auszulegende Antrag vom 1. Oktober 2008 fortgewirkt.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat in ihrer Stellungnahme vom 14. April 2009 beantragt, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Brandenburg vom 16. Januar 2009 als unbegründet zu verwerfen.

II.

1. Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 80 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 OWiG statthaft und form- und fristgerecht (§ 80 Abs. 3 OWiG i.V.m. §§ 341, 345 StPO) bei Gericht angebracht worden.

2. Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, er ist unbegründet. Da der ordnungsgemäß zur Hauptverhandlung geladene Betroffene unentschuldigt zum Hauptverhandlungstermin nicht erschienen war, hat das Bußgeldgericht zu Recht den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid vom 16. Novemb...

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