Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache: Verfahrensrechtliche Voraussetzungen eines Beschlussanfechtungsverfahrens
Verfahrensgang
LG München II (Aktenzeichen 8 T 4022/99) |
AG Fürstenfeldbruck (Aktenzeichen UR II 47/98) |
Tenor
I. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers werden die Beschlüsse des Landgerichts München II vom 16. August 2000 und des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck vom 21. Juni 1999 aufgehoben.
II. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückverwiesen.
III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 20.000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Von zwei Nachbargrundstücken ist das eine in Wohnungseigentum, das Erbbaurecht an dem anderen Grundstück in Wohnungserbbaurechte unterteilt.
Dem Antragsteller gehört eine Wohnung in der aus Wohnungseigentumsrechten bestehenden Wohnanlage. Die Antragsgegner sind die übrigen Wohnungseigentümer dieser Wohnanlage und die Wohnungserbbauberechtigten der Wohnanlage auf dem Nachbargrundstück. Die weitere Beteiligte ist die Verwalterin sowohl der Wohnungseigentümer- als auch der Wohnungserbbauberechtigtengemeinschaft.
In der Teilungserklärung der beiden Gemeinschaften ist jeweils übereinstimmend geregelt, daß für bestimmte Abrechnungsposten eine gemeinsame Kostentragungspflicht beider Gemeinschaften besteht.
Am 14.7.1998 fand eine gemeinsame Versammlung sowohl der Wohnungseigentümer als auch der Wohnungserbbauberechtigten statt. In dieser Versammlung wurden verschiedene Beschlüsse gefaßt, unter anderem ein Beschluß über die Genehmigung der Jahresabrechnung 1997. Abgestimmt wurde von den anwesenden oder vertretenen Wohnungseigentümern und Wohnungserbbauberechtigten gemeinsam.
Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 5.8.1998 unter Hinweis darauf, daß er noch keine Niederschrift über die Eigentümerversammlung erhalten habe, „Vorab-Einspruch gegen die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 14.7.1998” eingelegt. Das Amtsgericht hat am 21.6.1999 den Antrag abgewiesen. Das Landgericht hat durch Beschluß vom 16.8.2000 die sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Dagegen richtet sich dessen sofortige weitere Beschwerde.
II.
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Entscheidungen des Amtsgerichts und des Landgerichts und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
1. Das Landgericht hat ausgeführt: Ein wirksamer, innerhalb der Monatsfrist eingegangener Antrag auf Ungültigerklärung der erstmals in der Beschwerdeinstanz genannten Eigentümerbeschlüsse liege nicht vor. Dem Antrag könne nach Wortlaut und Sinn nicht zweifelsfrei entnommen werden, daß er sich gegen sämtliche Beschlüsse der Eigentümerversammlung einer bestimmten Wohnungseigentümergemeinschaft richte. Einerseits sollten nach dem Antrag Beschlüsse einer Wohnungseigentümergemeinschaft angefochten werden; andererseits sei aber die Rede von zwei Gemeinschaften, nämlich einer von Wohnungseigentümern und einer von Wohnungserbbauberechtigten. Welcher Gemeinschaft der Antragsteller angehöre, ergebe sich aus dem Antrag nicht. Erst auf Anfrage der Beschwerdekammer habe sich ergeben, daß die Unzulässigkeit gemeinsamer Beschlußfassung von zwei rechtlich eigenständigen Gemeinschaften geltend gemacht werde. Es könne auch nicht angenommen werden, daß der Antragsteller alle gefaßten Beschlüsse habe anfechten wollen; denn er habe verschiedenen Beschlüssen zugestimmt.
2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Der Antragsteller hat in seinem Antrag vom 5.8.1998 darauf hingewiesen, daß er kurz vor Ablauf der Monatsfrist für die Anfechtung von Eigentümerbeschlüssen (vgl. § 23 Abs. 4 WEG) noch keine Niederschrift über die Versammlung vom 14.7.1998 erhalten habe. Im Hinblick darauf kann kein Zweifel daran bestehen, daß er – vorsorglich – alle in der Versammlung gefaßten Eigentümerbeschlüsse anfechten wollte. Dem steht auch nicht entgegen, daß er einzelnen Beschlüssen zugestimmt hatte. Denn auch für die Anfechtung von Eigentümerbeschlüssen, denen der Anfechtende in der Eigentümerversammlung zugestimmt hat, fehlt nach allgemeiner Meinung das Rechtsschutzbedürfnis nicht (BayObLG NJW-RR 1988, 1168; Bärmann/Pick/Merle WEG 8. Aufl. § 43 Rn. 102). Abgesehen davon ergibt sich aus dem Anfechtungsschreiben nicht, daß der Antragsteller einzelnen Eigentümerbeschlüssen zugestimmt hatte. Dies ergab sich erst im weiteren Verfahren.
Gegen die vorsorgliche Anfechtung aller in einer Eigentümerversammlung gefaßten Beschlüsse bestehen grundsätzlich keine Bedenken, wenn der Grund dafür ist, daß die Niederschrift vom Verwalter nicht rechtzeitig vorgelegt wird (BayObLG NJW-RR 1995, 1167). Aus der Bezeichnung des Anfechtungsschreibens als „Vorab-Einspruch” ergab sich auch, daß zunächst sämtliche Eigentümerbeschlüsse angefochten werden sollten, die Anfechtung aber unter dem Vorbehalt stand, sie nach Eingang der Niederschrift über die Eigentümerversammlung auf bestimmte Beschlüsse zu beschrän...