Entscheidungsstichwort (Thema)
Gemeinschaftliches Testament
Leitsatz (redaktionell)
Zum Widerruf letztwilliger Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament.
Normenkette
BGB § 2258 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Augsburg (Beschluss vom 29.08.1989; Aktenzeichen 5 T 1589/89) |
AG Augsburg (Aktenzeichen VI 2402/87) |
Tenor
I. Auf die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 2 und 3 wird der Beschluß des Landgerichts Augsburg vom 29. August 1989 aufgehoben.
II. Die Sache wird zu neuer Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Augsburg zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Die Erblasserin ist 1987 im Alter von 91 Jahren verwitwet und kinderlos verstorben. Die frühere Beteiligte zu 1 war ihre Schwester. Sie ist … 1990 verstorben und von der jetzigen Beteiligten zu 1, ihrer Tochter, allein beerbt worden. Der Beteiligte zu 3 ist der Sohn einer vor dem Erbfall verstorbenen Schwester. Eine weitere Schwester ist kinderlos vorverstorben. Die Beteiligte zu 2 ist die Tochter des Ehemannes der Erblasserin. Dessen Sohn ist im Jahr 1981 verstorben, ohne Abkömmlinge zu hinterlassen. Die Erblasserin hat mit ihrem Ehemann am 27.5.1957 vor dem Notar ein gemeinschaftliches Testament errichtet. Es lautet:
I.
Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein.
II.
Zu Erben des Letztversterbenden von uns bestimmen wir
- zur einen Hälfte die Abkömmlinge des Ehemannes aus seiner ersten Ehe zu gleichen Stammanteilen,
- zur anderen Hälfte diejenigen von den Geschwistern und Geschwisterkindern der Ehefrau, die im Zeitpunkt des Ablebens des Letztversterbenden von uns auf Grund Gesetzes berufen waren, wenn die Ehefrau zuletzt versterben wurde und zu den Anteilen, entsprechend der gesetzlichen Erbfolge.
III.
Auf die gesetzlichen Pflichtteilsbestimmungen wurden wir hingewiesen.
Weiter liegt ein Schriftstück vor, das der Ehemann geschrieben hat. Die Erblasserin hat es mit unterzeichnet. Es lautet:
…, den 26. März 1963.
Beim Ableben eines Ehegatten ist der übriggebliebene Ehepartner alleiniger Erbe des ganzen Vermögens einschlieslich aller Versicherungen und Grund und Boden sowie lebendes u. totes Inventar dis tun wir aus unserer Überzeugung.
Der Ehemann ist … 1968 verstorben und von der Erblasserin allein beerbt worden. Diese hat am 15.5.1970 vor dem Notar ein Testament errichtet. Die Urkunde lautet unter I:
„Ich habe zusammen mit meinem Ehemann … zu Urkunde des amtierenden Notars am 27. Mai 1957 ein gemeinschaftliches Testament errichtet.
In diesem Testament haben wir uns für den ersten Sterbefall gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt.
Wir haben auch für den zweiten Sterbefall eine Regelung getroffen.
Mein Ehemann ist … 1968 verstorben.
Im Jahre 1963 haben mein verstorbener Mann und ich ein gemeinschaftliches privatschriftliches Testament errichtet. In diesem Testament haben wir uns gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Eine Regelung für den zweiten Sterbefall haben wir nicht getroffen. Durch dieses zweite Testament sollte, und ich nehme an, daß das auch der Wille meines verstorbenen Mannes war, unser erstes gemeinschaftliches Testament vom Jahre 1957 gegenstandslos sein.
Danach kann ich für den Fall meines Todes über meinen Nachlaß frei verfügen.”
Unter II hat die Erblasserin zur einen Hälfte die Abkömmlinge ihres Ehemannes zu gleichen Stammanteilen eingesetzt, zur anderen Hälfte ihre Schwester (die frühere Beteiligte zu 1), ersatzweise deren Tochter, die jetzige Beteiligte zu 1.
Die Erblasserin hat nochmals letztwillig verfügt:
„… Testament
Ich bestime hiermit dahs nach meinem Tote mein Vermögen nur allein
… (= frühere Beteiligte zu 1)
erhält
ersatzweise … (= Beteiligte zu 1).
… (= Erblasserin)
… d 12. Juni 1977”
Auf Grund dieses Testaments hat die frühere Beteiligte zu 1 beim Nachlaßgericht einen Erbschein beantragt, der sie als Alleinerbin ausweist, hilfsweise einen Teilerbschein zur Hälfte auf Grund des notariellen gemeinschaftlichen Testaments. Die Beteiligte zu 2 hat einen Teilerbschein beantragt, demzufolge sie die Erblasserin auf Grund des notariellen Testaments vom 27.5.1957 zur Hälfte beerbt habe. Auf Grund des selben Testaments hat der Beteiligte zu 3 beantragt, einen Teilerbschein zu bewilligen, wonach er Miterbe zu einem Viertel sei.
Das Nachlaßgericht hat durch Beschluß vom 14.3.1989 die Antrage der Beteiligten zu 2 und 3 zurückgewiesen und durch Vorbescheid angekündigt, es werde einen Erbschein des Inhalts erteilen, daß die frühere Beteiligte zu 1 die Erblasserin allein beerbt habe, falls gegen den Beschluß nicht binnen zwei Wochen nach Zustellung Beschwerde eingelegt werde. Die Beteiligten zu 2 und 3 haben die Erbscheinsanträge mit ihren Beschwerden weiterverfolgt. Das Landgericht hat die Rechtsmittel durch Beschluß vom 29.8.1989 zurückgewiesen und eine Kostenentscheidung getroffen. Hiergegen richten sich die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 2 und 3. Die jetzige Beteiligte zu 1 hat beantragt, die weiteren Beschwerden zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die weiteren Beschwerden sind zulässig. Nachdem das Nachlaßgericht den angekündigten Erbschein am 26.9.1989 ...