Leitsatz (amtlich)

Der Anspruch eines ehrenamtlichen Vormunds auf Aufwandsentschädigung nach § 1835a BGB ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Vormund für den in seiner Familie in Vollzeitpflege aufgenommenen Mündel Pflegegeld nach § 39 SGB VIII erhält.

 

Normenkette

BGB § 1835a; SGB VIII § 39

 

Verfahrensgang

LG Landshut (Aktenzeichen 60 T 559/01)

AG Landshut (Aktenzeichen VII 209/93)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des LG Landshut vom 22.5.2001 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Beteiligte zu 1) ist seit 1.9.1988 Pflegemutter (Vollzeitpflege) des 1983 geborenen Mündels. Sie erhält hierfür Unterhaltsleistungen nach § 39 SGB VIII. Mit Beschlüssen vom 3.9.1993 und 10.8.1998 wurde sie auch zum Vormund bestellt; ihr wurden die Personensorge und die Vermögenssorge übertragen, mit Ausnahme der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen, für die das Kreisjugendamt zum Mitvormund bestellt wurde. Auf Antrag der Beteiligten zu 1) setzte das VormG mit Beschluss vom 15.1.2001 für den Zeitraum 1.1.2000 bis 31.12.2000 eine Aufwandsentschädigung gem. § 1835a BGB i.H.v. 600 DM aus der Staatskasse fest. Gegen diese Entscheidung legte die Staatskasse (Beteiligte zu 2) durch den Bezirksrevisor beim LG sofortige Beschwerde ein mit der Begründung, dass der Pflegemutter, die Leistungen nach § 39 SGB VIII erhalte, keine Aufwandsentschädigung nach § 1835a BGB zustehe. Das LG hat die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 22.5.2001 zurückgewiesen und die weitere Beschwerde zugelassen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2).

II. Das Rechtsmittel ist zulässig, insbesondere vom LG zugelassen und form- und fristgerecht eingelegt (§ 56g Abs. 5 S. 2, §§ 27, 29 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4, § 22 Abs. 1 FGG). Es hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das LG hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass eine Anrechnung der Unterhaltsleistungen nach § 39 SGB VIII auf die Aufwandsentschädigung nach § 1835a BGB im Gesetz nicht vorgesehen sei. Auch aus der Gesetzessystematik und den Gesetzgebungsmaterialien ergebe sich nichts, was für eine Anrechnung spräche.

2. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung (§§ 27 Abs. 1 FGG, 550 ZPO) stand.

a) Nach § 1835a BGB kann der Vormund, dem keine Vergütung zusteht, zur Abgeltung seines Anspruchs auf Aufwendungsersatz (§ 1835 BGB) eine Aufwandsentschädigung verlangen, die sich derzeit auf 600 DM im Jahr beläuft. Der Anspruch richtet sich, wenn der Mündel mittellos ist, gegen die Staatskasse. Er setzt keinen Nachweis von Aufwendungen voraus. Der Anspruchssteller, der die Voraussetzungen des § 1835a BGB erfüllt, kann wählen, ob er den Anspruch aus § 1835 BGB, d.h. Ersatz seiner tatsächlichen Aufwendungen gegen entsprechende Aufzeichnungen und Belege, oder die pauschalierte Aufwandsentschädigung geltend macht; eine Kumulation beider Ansprüche ist ausgeschlossen.

b) Die Voraussetzungen für den Anspruch nach § 1835a BGB liegen hier vor. Dem Anspruch steht nicht entgegen, dass die Beteiligte zu 1) für den in ihrer Familie in Vollzeitpflege aufgenommenen Mündel Leistungen nach § 39 SGB VIII erhält. Die gegenteilige Auffassung des Beschwerdeführers stützt sich im Wesentlichen auf folgende Argumentation: Im Hinblick auf den Erhalt des Pflegegeldes nach § 39 SGB VIII fehle es der Beteiligten zu 1) an Aufwendungen, für die eine Aufwandspauschale geltend gemacht werden könne, denn durch das Pflegegeld würden auch die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Führung der Vormundschaft ausgeglichen. Ferner enthalte das Pflegegeld einen Vergütungsanteil, mit dem auch die Tätigkeit der Pflegeperson im Zusammenhang mit der Führung der Vormundschaft vergütet werde. In Übereinstimmung mit den Vorinstanzen folgt der Senat dieser Auffassung nicht.

aa) Die Aufgabenkreise einer Pflegeperson und eines Vormunds sind nicht deckungsgleich. Als Pflegemutter obliegt der Beteiligten zu 1) die tatsächliche Pflege, Erziehung und Beaufsichtigung des Kindes, aber nur in beschränktem Umfang die rechtliche Vertretung (vgl. § 1688 BGB). Als Vormund hat sie – hier mit Ausnahme des dem Jugendamt übertragenen Wirkungskreises – das Recht und die Pflicht, für die Person und das Vermögen des Mündels zu sorgen, insbesondere den Mündel zu vertreten (§ 1793 Abs. 1 S. 1 BGB). Dagegen ist sie im Rahmen ihrer Personensorge als Vormund nicht verpflichtet, die tatsächliche Betreuung und Erziehung des Mündels selbst zu übernehmen; es genügt, wenn ein Vormund dafür sorgt, dass der Mündel seinem Wohl entsprechend durch andere gepflegt, erzogen und beaufsichtigt wird. Demgemäß ist anerkannt, dass auch ein Vormund Anspruch auf Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege hat (BVerwG NJW 1996, 2385 [2386]).

bb) Ersatzfähige Aufwendungen i.S.d. §§ 1835, 1835a BGB sind solche, die der Vormund zum Zwecke der Führung der Vormundschaft macht. Das jugendhilferechtliche Pflegegeld ist an das Pflegeverhältnis geknüpft; es stellt den notwendigen Unterhalt des Kindes sicher...

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