Leitsatz (amtlich)
Zur Mittellosigkeit des Betreuten
I. Die weitere Beschwerde ist im Verfahren der Festsetzung einer Auslagenpauschale nicht ausgeschlossen, wenn mit ihr nicht die Abänderung des zuerkannten Betrages, sondern die Feststellung begehrt wird, daß eine Inanspruchnahme der Staatskasse nicht in Betracht kommt.
II. Die Mittellosigkeit des Betroffenen ist unter Heranziehung der Bestimmungen des BSHG zu bestimmen. Danach ist ein Betreuter mittellos, wenn sein Vermögen die Schongrenze von 8.000 DM nicht überschreitet.
Normenkette
ZSEG § 16 Abs. 2; BGB § 1835 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 08.12.1994; Aktenzeichen 13 T 8935/94) |
AG Neustadt a.d. Aisch (Beschluss vom 06.09.1994; Aktenzeichen XVII A 434/92) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde werden der Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 8. Dezember 1994 und der Beschluß des Amtsgerichts Neustadt a.d. Aisch vom 6. September 1994 aufgehoben.
II. Der Antrag des Betreuers vom 31. August 1994 auf Bewilligung einer Aufwandsentschädigung aus der Staatskasse wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Für die Betroffene ist deren Bruder als Betreuer bestellt. Mit Beschluß vom 6.9.1994 setzte das Amtsgericht (Rechtspfleger) für den Betreuer eine Aufwandsentschädigung von 362,50 DM für die Zeit vom 1.7.1993 bis 31.8.1994 gegen die Staatskasse fest. Das hiergegen eingelegte Rechtsmittel des Bezirksrevisors wies das Landgericht mit Beschluß vom 8.12.1994 zurück. Bei der Bestimmung des Begriffes der Mittellosigkeit ging es von einem Schonvermögen von 15.000 DM aus. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Staatskasse, mit der geltend gemacht wird, daß ein Freibetrag nur in Höhe von 4.500 DM gerechtfertigt sei.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die weitere Beschwerde ist zulässig.
Sie ist nicht durch § 16 Abs. 2 ZSEG ausgeschlossen. Diese Bestimmung eröffnet im gerichtlichen Festsetzungsverfahren nur die Erstbeschwerde und schließt die weitere Beschwerde grundsätzlich aus (BayObLGZ 1993, 123; BayObLG FamRZ 1994, 1332; BayObLG Rpfleger 1984, 270). Dieser Ausschluß greift nach dem Sinn der in § 16 Abs. 2 ZSEG getroffenen Regelung nur ein, wenn die Höhe des festgesetzten Betrages angegriffen wird. Ziel der weiteren Beschwerde ist hier jedoch nicht eine Abänderung des im Festsetzungsverfahren zuerkannten Betrages, sondern die Feststellung, daß das Festsetzungsverfahren an sich unzulässig ist, weil die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der Staatskasse nicht vorliegen. In diesem Fall steht § 16 ZSEG der Zulässigkeit der weiteren Beschwerde nicht entgegen (OLG Köln Rpfleger 1994, 417; SchlHOLG BtPrax 1994, 139).
2. Die weitere Beschwerde ist auch begründet.
a) Das Landgericht hat seiner Entscheidung den Vortrag des Bezirksrevisors, die Betroffene verfüge über ein Barvermögen von 14.947,21 DM. zugrundegelegt und angenommen, die Betroffene sei mittellos im Sinne des § 1835 Abs. 4 BGB. Es hat ausgeführt, für die Bestimmung der Mittellosigkeit begegne sowohl die bloße Heranziehung der Prozeßkostenhilfesätze als auch derjenigen des Sozialhilferechts Bedenken. Vielmehr sei § 88 BSHG in modifizierter Form anzuwenden. Hinsichtlich des Barvermögens erscheine die Grenze des § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG für die Bestimmung der Mittellosigkeit als zu niedrig angesetzt. Ein Schonvermögen in Höhe von 15.000 DM erscheine angemessen. Eine Abweichung vom Wortlaut des § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG sei auch zulässig, da es um die Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffes gehe.
b) Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Es ist nicht gerechtfertigt, dem Betreuer eine Aufwandsentschädigung nach § 1836a BGB, § 1835 Abs. 4 (anzuwenden über § 1908i Abs. 1 BGB) aus der Staatskasse zu bewilligen, da die Betroffene nicht mittellos ist.
Die Begriffe der Mittellosigkeit gemäß § 1835 Abs. 4 und der Vermögenslosigkeit nach § 1836 Abs. 2 BGB sind in gleichartiger Weise auszulegen (§ 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB).
aa) Wann Mittellosigkeit vorliegt, wird in Rechtsprechung und Lehre unterschiedlich beurteilt:
Das LG Frankfurt (Rpfleger 1990, 357) und das LG Duisburg (Rpfleger 1993, 196) stellen auf die Umstände des Einzelfalles ab; letzteres bejahte Mittellosigkeit bei einem Guthaben von 6.466,15 DM und monatlichen Renten von insgesamt 1.006,25 DM.
Das LG Hannover (Rpfleger 1993, 197) und das LG Berlin (BtPrax 1995, 28) bejahen Mittellosigkeit, wenn das Vermögen des Betreuten unterhalb des Schonbetrages des § 88 BSHG (4.500 DM) liegt und das Einkommen die Unpfändbarkeitsgrenze des § 850c ZPO um nicht mehr als 15% übersteigt; ein Zuschlag auf die Pfändungsfreigrenze sei erforderlich, weil die bewilligte Vergütung notfalls im Wege der Vollstreckung in zumutbaren Teilbeträgen einziehbar sein müsse.
Das OLG Schleswig (BtPrax 1994, 139) stellt die Mittellosigkeit unter Heranziehung der Regelungen des BSHG über den Einsatz eigenen Einkommens und Vermögens fest; dies seien die unterschiedlichen Einkommensgrenzen der §§ 79 ff BSHG für die Hilfe in besonderen Lebenslagen und § 88 BSHG bei der...