Leitsatz (amtlich)
Alleinerbeneinsetzung durch Zuwendung einer Eigentumswohnung, neben der bei Testamentserrichtung Geldvermögen in wertmäßig entsprechender Höhe vorliegt, das nach der - nicht verwirklichten - Vorstellung der Erblasserin noch zu Lebzeiten hätte verteilt werden sollen.
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 25.05.2004; Aktenzeichen 16 T 4370/04) |
AG München (Aktenzeichen VI 10740/031Z BR 066/04) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des LG München I vom 25.5.2004 wird zurückgewiesen.
II. Der Beteiligte zu 2) hat die dem Beteiligten zu 1) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 110.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die ledige, kinderlose Erblasserin ist am 18.7.2003 im Alter von 59 Jahren verstorben. Der Beteiligte zu 1) war ihr Lebensgefährte, der Beteiligte zu 2) ihr Bruder. Es liegt ein eigenhändiges Testament vom 5.7.2003 vor, das folgenden Wortlaut hat:
"Mein letzter Wille
Hiermit verfüge ich ... letztwillig:
Erben soll ... (Beteiligter zu 1) meine Wohnung mit Mobiliar ...
München, 5.7.2003
(Unterschrift)."
Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus der im Testament genannten Eigentumswohnung, die die Erblasserin Anfang 2003 zum Preis von 110.000 Euro erworben hat, sowie aus Bankguthaben und Wertpapieren im Wert von rund 110.000 Euro.
Der Beteiligte zu 1) hat, gestützt auf das Testament vom 5.7.2003, die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der ihn als Alleinerben ausweist.
Er hat darauf verwiesen, dass die Erblasserin ihn mit der Zuwendung der Wohnung zum alleinigen Erben habe einsetzen wollen, da nach ihrer Vorstellung zum Zeitpunkt ihres Todes diese den wesentlichen Vermögensgegenstand darstellen und das Kapitalvermögen weitgehend verbraucht sein sollte. Sie habe nämlich vorgehabt, mehrere Freundinnen und Verwandte noch zu Lebzeiten mit Geldzuwendungen zu bedenken. Wenige Tage vor ihrem Tod habe sie die Unterlagen für die Auflösung verschiedener Konten und die Überweisung von Geldbeträgen an Freunde vorbereitet, die Aufträge seien jedoch nicht mehr zur Ausführung gekommen, da sie erst nach dem Tod der Erblasserin der Bank vorgelegen hätten.
Der Beteiligte zu 2) hat einen Erbschein beantragt, der ihn als Alleinerben aufgrund gesetzlicher Erbfolge ausweist. Er ist der Auffassung, bei der Zuwendung der Wohnung an den Beteiligten zu 1) handele es sich um ein Vermächtnis, so dass gesetzliche Erbfolge eingetreten sei. Die Erblasserin habe in dem Testament nur über die Eigentumswohnung, nicht jedoch über ihr restliches Vermögen verfügen wollen; der Beteiligte zu 1) habe das Kapitalvermögen nicht erhalten sollen.
Das AG hat mit Beschluss vom 16.2.2004 die Erteilung eines Erbscheins angekündigt, der den Beteiligten zu 2) als Alleinerben ausweist. Zur Begründung wird ausgeführt, gem. § 2087 Abs. 2 BGB stelle die Zuwendung der Wohnung ein Vermächtnis dar. Dem Testament sei nicht zu entnehmen, dass der Beteiligte zu 1) mit der Nachlassabwicklung befasst sein sollte. Die Erblasserin habe in dem Testament auch nicht über ihr gesamtes Vermögen verfügt.
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) hat das LG mit Beschluss vom 25.5.2004 den amtsgerichtlichen Vorbescheid aufgehoben und das Nachlassgericht angewiesen, dem Beteiligten zu 1) einen Erbschein zu erteilen, der ihn als Alleinerben ausweist. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2).
Das AG hat dem Beteiligten zu 1) am 17.6.2004 einen Erbschein als Alleinerben erteilt.
II. Das zulässige - nunmehr auf die Einziehung des zwischenzeitlich erteilten Erbscheins gerichtete - Rechtsmittel ist nicht begründet.
1. Das LG hat ausgeführt:
Das auslegungsbedürftige Testament vom 5.7.2003 sei dahin auszulegen, dass die Erblasserin den Beteiligten zu 1) zum Alleinerben eingesetzt habe. Die Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB, nach der im Zweifel ein nur mit einem einzelnen Gegenstand Bedachter nicht als Erbe anzusehen sei, greife nicht ein, weil die Auslegung ergebe, dass die Erblasserin mit der Zuwendung der Wohnung an den Beteiligten zu 1) über das gesamte Vermögen verfügt habe, das nach ihrer Vorstellung bei ihrem Tod vorhanden sein würde. Schon der Wortlaut des Testaments spreche dafür, dass die Erblasserin die erst kurze Zeit zuvor erworbene Eigentumswohnung als wesentlichen Nachlassgegenstand angesehen habe. Nach den Aussagen der Zeuginnen habe die Erblasserin zu verstehen gegeben, dass der Beteiligte zu 2) nichts erben solle; vielmehr habe die Erblasserin im Hinblick auf den herannahenden Tod ihr Kapitalvermögen an ihre Freundinnen verteilen wollen und hierzu konkrete Vorbereitungen getroffen. Der Beteiligte zu 2) habe selbst bestätigt, der Erblasserin bei einem Besuch zwei Tage vor ihrem Tod wegen ihrer Absicht, Geld an Freundinnen zu verteilen, Vorhaltungen gemacht zu haben. Die Erblasserin habe ihm außerdem erklärt, dass die Eigentumswohnung der Beteiligte zu 1) bekäme. Ein von ihm zu seinen Gunsten mit eine...