Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache: Erforderlichkeit von mündlicher Verhandlung vor vollbesetzter Kammer im Beschwerdeverfahren
Verfahrensgang
LG Augsburg (Entscheidung vom 06.02.1987; Aktenzeichen 7 T 4402/86) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluß des Landgerichts Augsburg vom 6. Februar 1987 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegner haben samt verbindlich die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerde Verfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerde verfahren wird auf 1 000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller und die Antragsgegner sind Wohnungseigentümer in einer Wohnanlage. Im Juli 1986 brachten die Antragsgegner an der Westseite ihres Balkons einen Windschutz aus Glasscheiben an.
Im ersten Rechtszug hat der Antragsteller beantragt, den Antragsgegner zu 1 zur Beseitigung des Windschutzes zu verpflichten. Das Amtsgericht hat dem Antrag mit Beschluß vom 1.10.1986 entsprochen. Der Antragsgegner zu 1 hat sofortige Beschwerde eingelegt. Im Beschwerdeverfahren hat der Antragsteiler seinen Antrag auf die Antragsgegnerin zu 2 erweitert. Diese hat der Erweiterung nicht widersprochen. Ein Mitglied der landgerichtlichen Kammer hat eine mündliche Anhörung durchgeführt; es hat ferner Zeugen vernommen und einen Augenschein eingenommen. Mit Beschluß vom 6.2.1987 hat das Landgericht sodann auch die Antragsgegnerin zu 2 zur Beseitigung des Windschutzes verpflichtet und die Beschwerde des Antragsgegners zu 1 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner.
II.
Das Rechtsmittel ist unbegründet.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Der Antragsteller könne von den Antragsgegnern die Beseitigung der Glaswand verlangen, da das gemeinschaftliche Eigentum durch die bauliche Veränderung beeinträchtigt werde (§ 1004 Abs. 1 BGB). Die Glaswand stelle eine nicht völlig unerhebliche Beeinträchtigung der Fassade des Gebäudes dar. Sie sei von dem für alle Miteigentümer benutzbaren Spielplatz ohne weiteres einsehbar. Die Rechtsausübung des Antragstellers sei auch nicht rechtsmißbräuchlich (§ 242 BGB). Die Beseitigung des Windschutzes sei den Antragsgegnern zumutbar. Sie hätten bei Erwerb ihrer Eigentumswohnung gewußt, daß der Balkon nach drei Seiten offen und deshalb sowohl Lärm als auch dem Wetter ausgesetzt sei.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) In Wohnungseigentumssachen soll das Gericht mit den Beteiligten in der Regel mündlich verhandeln und darauf hinwirken, daß sie sich gütlich einigen (§ 44 Abs. 1 WEG). Diese Vorschrift dient auch der Sachaufklärung (§ 12 FGG).
(1) Die mündliche Verhandlung hat beim Landgericht vor der vollbesetzten Kammer stattzufinden.
Der Richter im Sinn von § 44 WEG ist die vollbesetzte Zivilkammer. Dies folgt aus § 19 Abs. 2, § 30 Abs. 1 FGG i.V.m. § 75 GVG. Die ersteren Vorschriften bestimmen, daß über die Beschwerde eine Zivilkammer des Landgerichts entscheidet. Nach der letzteren Vorschrift sind die Zivilkammern, soweit nicht nach den Prozeßgesetzen der Einzelrichter entscheidet, mit drei Mitgliedern einschließlich des Vorsitzenden besetzt.
Die Beauftragung eines Mitglieds der Zivilkammer mit der Durchführung der mündlichen Verhandlung wäre deshalb nur dann statthaft, wenn eine besondere gesetzliche Ermächtigung hierzu vorläge. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Im Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist eine solche Ermächtigung nicht enthalten. Für eine entsprechende Vorschrift besteht auch kein Grund, weil der Grundsatz der Mündlichkeit im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit – von Sonderverfahren wie dem Wohnungseigentumsverfahren abgesehen – nicht gilt (vgl. BayObLGZ 1964, 433/440; BayObLG MDR 1983, 326). Aber auch die Zivilprozeßordnung kennt keine – im Wohnungseigentumsverfahren möglicherweise entsprechend anwendbare – Vorschrift, wonach die mündliche Verhandlung von einem beauftragten Richter durchgeführt werden könnte. § 375 ZPO regelt lediglich die Voraussetzungen, unter denen eine Beweisaufnahme, nicht aber die mündliche Verhandlung, einem beauftragten oder ersuchten Richter übertragen werden darf. Im Wohnungseigentumsverfahren muß demnach die mündliche Verhandlung unmittelbar vor der vollbesetzten Zivilkammer stattfinden (vgl. Jansen FGG 2. Aufl. RdNr. 33 vor § 8, §12 RdNr. 63).
Die Bestimmung, die eine mündliche Verhandlung vorschreibt, ist eine Vorschrift für den Regelfall. Das heißt, daß sie Ausnahmen nur dann zuläßt, wenn besondere Umstände vorliegen. Der Senat hat bisher in Fällen, die im wesentlichen so gestaltet waren wie der vorliegende, es für hinreichend angesehen, daß das Landgericht von einer mündlichen Verhandlung vor der Kammer abgesehen hat. Er ist, insbesondere mit Rücksicht auf die Entwicklung in der Praxis einiger Instanzgerichte zu der Auffassung gelangt, daß hieran nicht mehr festgehalten werden kann. Künftig wird daher grundsätzlich eine mündl...