Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohngeldforderung. Bestimmung des zuständigen Gerichts
Leitsatz (amtlich)
Ein Abgabebeschluß ist grundsätzlich nicht nur für das Gericht bindend, an das ein Verfahren abgegeben wird, sondern vom Zeitpunkt seines Existentwerdens an auch für das Gericht, das den Beschluß erlassen hat. Es kann ihn nicht aufgrund späterer besserer Erkenntnis wieder aufheben.
Normenkette
WEG § 46 Abs. 1; GVG § 17a Abs. 2; ZPO § 577 Abs. 3
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 23 O 8392/99) |
AG München (Aktenzeichen UR II 401/98) |
Tenor
Zuständig ist das Amtsgericht München als Wohnungseigentumsgericht.
Gründe
I.
Die Antragsteller, Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, machen gegen die Antragsgegnerin Wohngeldansprüche in Höhe von 11.793,70 DM geltend. Das Amtsgericht München als Wohnungseigentumsgericht und das Landgericht München I streiten über die Zulässigkeit des Rechtswegs (Zuständigkeit). Mit Beschluß vom 4.8.1998 hat der Senat die Bestimmung des zuständigen Gerichts abgelehnt, da weder der Abgabebeschluß des Landgerichts vom 12.5.1998 noch der Beschluß vom 25.5.1998, mit dem sich das Amtsgericht für unzuständig erklärte, formell rechtskräftig geworden waren. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts, insbesondere des früheren Verfahrensablaufs, wird auf den genannten Senatsbeschluß (vgl. NZM 1998, 975) Bezug genommen.
Im Anschluß an die Senatsentscheidung hat das Landgericht seinen Beschluß vom 12.5.1998 den Beteiligten förmlich zustellen lassen. Mit Beschluß vom 15.10.1998 hat es das Verfahren „in Ausführung des Abgabebeschlusses vom 12.5.1998 an das Amtsgericht/Wohnungseigentumsgericht zurückgegeben”. Das Amtsgericht hat sich mit Beschluß vom 30.4.1999 für unzuständig erklärt und die Akten an das Landgericht zurückgegeben. Dieses hat die Sache zur Entscheidung über die gerichtliche Zuständigkeit wiederum dem Bayerischen Obersten Landesgericht vorgelegt.
II.
1. Die Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind nunmehr gegeben, da sowohl der Beschluß des Landgerichts vom 12.5.1998 als auch der Beschluß des Amtsgerichts vom 30.4.1999 formell rechtskräftig geworden sind. Beide Gerichte haben den Beteiligten auch vor der Entscheidung rechtliches Gehör gewährt.
2. a) Als zuständiges Gericht ist das Amtsgericht München als Wohnungseigentumsgericht zu bestimmen. Der Abgabebeschluß des Landgerichts vom 12.5.1998 ist formell rechtskräftig geworden; er ist damit für das Gericht, an das das Verfahren abgegeben wurde, gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG, § 46 Abs. 1 Satz 3 WEG bindend; diese Wirkung ist auch bei einer Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu beachten (BGH NJW-RR 1995, 702; BayObLG WuM 1999, 231/232).
b) Die Bindungswirkung entfällt nur dann, wenn der Abgabebeschluß offensichtlich unrichtig ist und jeder Rechtsgrundlage entbehrt (BGH NJW-RR 1992, 383; BayObLGZ 1994, 60/62; BayObLG WE 1997, 432; BayObLG WuM 1999, 231/232). Dies ist hier nicht der Fall. Das Landgericht hat zwar verkannt, daß der geltend gemachte Anspruch nicht beim Wohnungseigentumsgericht, sondern bei ihm als Prozeßgericht rechtshängig geworden ist und daß nach dem Ausscheiden der Antragsgegnerin aus der Gemeinschaft die Voraussetzungen für die Abgabe des Verfahrens an das Wohnungseigentumsgericht nicht mehr gegeben waren (vgl. BGH NJW 1976, 626; OLG Zweibrücken NJW-RR 1989, 716). Zur Entscheidung über Wohngeldansprüche gegen Schuldner, die vor der Rechtshängigkeit aus der Gemeinschaft ausgeschieden sind, sind nämlich nach der in Rechtsprechung und Literatur fast ausschließlich vertretenen Meinung die Prozeßgerichte berufen. Dort war das Verfahren beim Ausscheiden der Antragsgegnerin aus der Gemeinschaft auch anhängig. Bei der unübersichtlichen Regelung, die Abgabe und zurückbezogene Rechtshängigkeit in den Vorschriften des Mahnverfahrens gefunden haben (vgl. vor allem § 696 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO), kann der Abgabebeschluß des Landgerichts aber nicht als offensichtlich unrichtig bezeichnet werden (vgl. zu diesem Begriff Thomas/Putzo ZPO 21. Aufl. § 567 Rn. 7 m.w.N.). Außerdem wird die Meinung, daß die Wohnungseigentumsgerichte auch für Wohngeldansprüche gegen ausgeschiedene Eigentümer zuständig sind, zwar nur vereinzelt, aber doch von namhaften Autoren vertreten (vgl. Weitnauer/Hauger WEG 8. Aufl. § 43 Rn. 14; außerdem früher noch KG NJW-RR 1988, 842).
c) Mit dem Erlaß und der formlosen Mitteilung an die Beteiligten war der Abgabebeschluß vom 12.5.1998 für das Landgericht selbst bindend geworden; es war, auch wenn der Beschluß noch nicht zugestellt war, gemäß § 577 Abs. 3 ZPO nicht mehr befugt, diesen aufzuheben oder abzuändern (vgl. BayObLG NJW-RR 1994, 1428/1429; OLG Frankfurt Rpfl 1974, 272; Thomas/Putzo § 577 Rn. 8). Die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Abänderung (vgl. BayObLG aaO) lagen nicht vor. Soweit der Senat in dem Beschluß vom 4.8.1998 eine andere Meinung vertreten hat, kann er daran nicht festhalten. Da es sich nur um Hinweise für das weitere Verfahren han...