Leitsatz (amtlich)
Für eine Klage des Käufers auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgewähr der Kaufsache ist Erfüllungsort und damit Gerichtsstand der Ort, an dem sich die Kaufsache zur Zeit des Rücktritts nach dem Vertrag befindet.
Verfahrensgang
AG Euskirchen (Aktenzeichen 4 C 479/03) |
AG Rosenheim (Aktenzeichen 8 C 1547/03) |
Tenor
Zuständig ist das AG Rosenheim.
Gründe
I. Der Kläger trägt vor, ihm stünden aus der Rückabwicklung eines Kaufvertrages über eine Kamera Rollei B 35 gegen die Beklagte Forderungen zu. Er hat deshalb bei dem AG Rosenheim gegen die Beklagte in der Hauptsache Klage auf Zahlung von 126,50 Euro Zug um Zug gegen Rückgabe der in seinem Besitz befindlichen Kamera Rollei B 35 sowie auf Feststellung erhoben, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme dieser Kamera in Verzug befindet. Bereits in der Klageschrift hat der Kläger darauf hingewiesen, dass sich die Zuständigkeit des AG Rosenheim aus § 29 ZPO ergebe; Erfüllungsort und damit Gerichtsstand sei nämlich der Ort, an dem sich die Kaufsache zur Zeit der Rückgängigmachung des Kaufvertrags befinde.
Die Beklagte hat die Zuständigkeit des AG Rosenheim gerügt und geltend gemacht, zuständig sei das AG Euskirchen als das für ihren Wohnsitz zuständige AG. Der Kläger ist diesem Vorbringen der Beklagten entgegengetreten, hat jedoch „höchst vorsorglich und hilfsweise” beantragt, das Verfahren an das AG in Euskirchen abzugeben.
Mit Beschluss vom 12.9.2003 hat sich das AG Rosenheim für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das AG Euskirchen abgegeben. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Gerichtsstand des Erfüllungsortes liege nicht vor. Entscheidend sei, dass in erster Linie die Rückzahlung des Kaufpreises verlangt werde. Das AG Euskirchen sei allein zuständig.
Das AG Euskirchen hat sich mit Beschluss vom 28.11.2003 ebenfalls für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das AG Rosenheim zurückverwiesen. Zur Begründung hat das AG Euskirchen im Wesentlichen ausgeführt, die Verweisung an das AG Euskirchen erscheine objektiv willkürlich. Der Kläger klage auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgewähr der Kaufsache. Somit sei Erfüllungsort gem. § 29 ZPO und damit Gerichtsstand der Ort, an dem sich die Kaufsache zur Zeit des Rücktritts von dem Vertrag befinde, da an diesem Ort die Kaufsache zurückzugewähren sei.
Das AG Rosenheim hat die Akten dem OLG München zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Dieses hat die Akten an das BayObLG weitergeleitet.
II.1. Das BayObLG ist für die Entscheidung des negativen Zuständigkeitsstreits zwischen dem zuerst mit dem Rechtsstreit befassten AG Rosenheim und dem AG Euskirchen zuständig (§ 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO).
2. Die Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor.
3. Als zuständiges Gericht ist das AG Rosenheim zu bestimmen.
Für die Klage nach Rückgängigmachung des Kaufs gilt nach h.M. (vgl. BGH v. 9.3.1983 – VIII ZR 11/82, BGHZ 87, 104 [109 f. 9 = MDR 1983, 660; Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 29 Rz. 25 – „Kaufvertrag”) Folgendes:
Ist der Kaufvertrag beiderseits erfüllt und klagt der Käufer auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgewähr der Kaufsache, so ist Erfüllungsort und damit Gerichtsstand der Ort, an dem sich die Kaufsache zur Zeit des Rücktritts (früher: der Wandlung) nach dem Vertrag befindet. Der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsorts (§ 29 ZPO) ist somit bei dem AG Rosenheim gegeben. Der Kläger hat das ihm zustehende Wahlrecht (§ 35 ZPO) zwischen den in Betracht kommenden Gerichtsständen des Erfüllungsorts (§ 29 ZPO) und des Wohnsitzes der Beklagten (§ 13 ZPO) durch Erhebung der Klage bei dem AG Rosenheim als Gerichtsstand des Erfüllungsorts unwiderruflich und bindend (vgl. BayObLG v. 9.5.1990 – AR 1 Z 45/90, NJW-RR 1991, 187 [188]) ausgeübt.
Die Zuständigkeit des AG Euskirchen folgt nicht aus einer Bindung an den Verweisungsbeschluss des AG Rosenheim vom 12.9.2003. Die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses (§ 281 Abs. 2 S. 4 ZPO) tritt ausnahmsweise dann nicht ein, wenn die Verweisung sich so weit von der gesetzlichen Grundlage entfernt, dass sie im Hinblick auf das Gebot des gesetzlichen Richters und das Willkürverbot des Grundgesetzes nicht hingenommen werden kann (vgl. BGH, Beschl. v. 15.3.1978 – IV ARZ 17/78, BGHZ 71, 69 [72]; v. 10.12.1987 – I ARZ 809/87, BGHZ 102, 338 [341] = BGH v. 10.12.1987 – I ARZ 809/87, MDR 1988, 470; BayObLGZ 2003, 187 [190]; Zöller/Greger, § 281 Rz. 17).
Ein solcher Fall liegt hier vor. Der Verweisungsbeschluss des AG Rosenheim vom 12.9.2003 entbehrt jeder gesetzlichen Grundlage, weil das als Gericht des Erfüllungsorts unzweifelhaft örtlich zuständige AG Rosenheim sich darüber hinwegsetzte, dass die Verweisung des Rechtsstreits gem. § 281 Abs. 1 ZPO die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts voraussetzt. Aus dem Beschluss des BGH vom 11.11.2003 (BGH, Beschl. v. 11.11.2003 – X ARZ 91/03, BGH v. 11.11.2003 – X ARZ 91/03, BGHReport 2004, 180...