Leitsatz (amtlich)

Im Mahnverfahren ist die gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nach Widerspruch mehrerer Antragsgegner vor dem Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens zulässig. Die Neuregelung der §§ 690 Abs. 1 Nr. 5, 696 Abs. 1 ZPO durch das Rechtspflegevereinfachungsgesetz steht dieser Verfahrensweise nicht entgegen.

 

Normenkette

ZPO § 29 Abs. 1, §§ 35, 36 Abs. 1, § 690 Abs. 1 Nr. 5, § 696 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG München (Aktenzeichen B 68472/01, B 65665/01, B 65666/01)

 

Tenor

Als für das streitige Verfahren zuständiges gemeinsames Gericht wird das LG Regensburg bestimmt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin, eine Bank, verlangt von der Antragsgegnerin zu 1) die Rückzahlung eines gekündigten Kontokorrentkredits. Für diesen hatten die Antragsgegner zu 2) und 3) und der verstorbene Ehemann der Antragsgegnerin zu 4) als Gesellschafter und Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 1) gebürgt. Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegner zu 2) und 3) sowie die Antragsgegnerin zu 4) als Erbin ihres verstorbenen Ehemanns als Gesamtschuldner in Anspruch. Die Antragsgegner zu 1), 3) und 4) haben ihren allgemeinen Gerichtsstand beim LG Regensburg, der Antragsgegner zu 2) hat seinen allgemeinen Gerichtsstand beim LG Hof.

Die Antragstellerin hat zunächst Mahnbescheide gegen die Antragsgegner zu 1) bis 3) erwirkt. In diesen ist als für das streitige Verfahren zuständiges Gericht jeweils das Gericht angegeben, bei dem die Antragsgegner ihren allgemeinen Gerichtsstand haben. Nach Widerspruch der Antragsgegner zu 1) bis 3) will die Antragstellerin nun den bislang nicht gestellten Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens stellen und die Klage dabei auf die Antragsgegnerin zu 4) erweitern. Mit Schriftsatz vom 8.8.2002 hat sie zuvor gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO beantragt, für die vier Antragsgegner als gemeinsam zuständiges Gericht das LG Regensburg zu bestimmen.

Die Antragsgegner zu 1) bis 4) haben erklärt, mit einer Bestimmung gemäß dem Antrag einverstanden zu sein.

II. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.

1. Das BayObLG ist als „das im Rechtszug zunächst höhere Gericht” für die Bestimmung zuständig, da die LG, bei denen die Antragsgegner ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, verschiedenen bayerischen OLG-Bezirken angehören (BayObLG BayObLGZ 1980, 149 [150]; Thomas/Putzo, 24. Aufl., § 36 ZPO Rz. 7).

2. Die Antragsgegner sollen als Streitgenossen verklagt werden (§ 60 ZPO; Thomas/Putzo, 24. Aufl., § 60 ZPO Rz. 2).

Ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand besteht nicht. Der als Bürge in Anspruch genommene Antragsgegner zu 2) hat seine Verpflichtung, da die Bürgschaft einen ggü. der Hauptschuld selbstständigen Erfüllungsort hat (BGH v. 21.11.1996 – IX ZR 264/95, BGHZ 134, 127 [133] = MDR 1997, 288; RGZ 73, 262; Palandt/Sprau, 61. Aufl., § 765 BGB Rz. 26; Zöller/Vollkommer, 23. Aufl., § 29 ZPO Rz. 25 – Stichwort „Bürgschaft”; Vollkommer, RPfleger 1974, 365), gemäß der allgemeinen Regel des § 269 Abs. 1 BGB an, seinem Wohnort zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses zu erfüllen; dieser liegt im Bezirk des LG Hof.

3. Der Bestimmung steht auch nicht die durch das Rechtspflegevereinfachungsgesetz v. 17.12.1990 (BGBl. I, 2847) neu gefasste Vorschrift des § 696 Abs. 1 ZPO entgegen.

a) Danach gibt das Mahngericht, wenn die Durchführung des streitigen Verfahrens beantragt wird, den Rechtsstreit an das Gericht ab, das im Mahnbescheid als für das streitige Verfahren zuständig bezeichnet worden ist, oder, wenn die Parteien übereinstimmend die Abgabe an ein anderes Gericht verlangen, an dieses. Diese Regelung steht im Zusammenhang mit der gleichzeitigen Änderung des § 690 Abs. 1 Nr. 5 ZPO. Während nach der früheren Fassung des § 690 Abs. 1 Nr. 5 ZPO zwingend das jeweilige Wohnsitzgericht des Schuldners als für das streitige Verfahren zuständiges Gericht anzugeben war, ist der Gläubiger nach der Neufassung nicht mehr auf die Angabe des Wohnsitzgerichts beschränkt, sondern kann nach seiner Wahl auch ein im Einzelfall zuständiges anderes Gericht angeben. Damit übt er ein nach § 35 ZPO gegebenen Wahlrecht mit (nach Zustellung des Mahnbescheids) bindender Wirkung aus (Zöller/Vollkommer, 23. Aufl., § 690 ZPO Rz. 16). Eine Korrektur des angegebenen Gerichtsstands ist nach dem Wortlaut des § 696 Abs. 1 ZPO nur aufgrund eines übereinstimmenden Verlangens beider Parteien möglich.

b) Nach der früheren Rechtslage wurde es als zulässig angesehen, ein Zuständigkeitsbestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vor und sogar noch nach Abgabe des Rechtsstreits an das jeweilige Wohnsitzgericht der Schuldner durchzuführen (BGH NJW 1978, 1982; BayObLGZ 1980, 149 [151 ff.]; Zöller/Vollkommer, 23. Aufl., § 696 ZPO Rz. 10). Dies hing mit der „Abgabeautomatik” (Zöller/Vollkommer, 23. Aufl., § 690 ZPO Rz. 16) der früheren Regelung zusammen, nach der es nicht möglich war, ein im Einzelfall gegebenes Wahlrecht nach § 35 ZPO bereits mit dem Mahnbescheidsantrag auszuüben. Der BGH...

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