Entscheidungsstichwort (Thema)

Testamentsauslegung

 

Leitsatz (redaktionell)

Hat ein Erblasser ihm gehörende Grundstücke im Gebiet der ehemaligen DDR in seinem Testament deshalb nicht erwähnt haben, weil diesen im Zeitpunkt der Testamentserrichtung nach seiner Meinung kein nennenswerter wirtschaftlicher Wert zugekommen war, so kann das Testament ergänzend mit dem Ziel ausgelegt werden, den hypothetischen Erblasserwillen zu ermitteln, um damit eine Lücke in der letztwilligen Verfügung zu schließen.

 

Normenkette

BGB § 2084

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 25.08.1992; Aktenzeichen 16 T 6859/92)

AG München (Beschluss vom 18.01.1992; Aktenzeichen 65 VI 8583/86)

 

Tenor

I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 wird der Beschluß des Landgerichts München I vom 25. August 1992 aufgehoben.

II. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Amtsgerichts München vom 18. Januar 1992 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Nr.1 dieser Entscheidung entfällt.

III. Die Beteiligte zu 1 hat die dem Beteiligten zu 2 im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten; außergerichtliche Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde sind nicht zu erstatten.

IV. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens und des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf je 5 000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die ledige Erblasserin ist im Jahre 1986 in München, wo sie zuletzt wohnte, kinderlos verstorben. Sie war eine nichteheliche Tochter ihres zum 31.1.1945 für tot erklärten Vaters; durch Verfügung des Landgerichtspräsidenten vom 30.12.1924 ist sie für ehelich erklärt worden. Aus der geschiedenen ersten Ehe ihres Vaters stammt ihre Halbschwester Irene, während aus seiner zweiten Ehe die Beteiligten zu 1 und 2 sowie ein 1945 verstorbener Halbbruder hervorgegangen sind.

Die Erblasserin hat am 15.5.1979 ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament errichtet, das auszugsweise wie folgt lautet:

 

Entscheidungsgründe

II.

Meine Schwester Frau E (Beteiligte zu 1), … ist Haupt-Erbin.

1) Sie erhält das auf meinem Giro-Konto Nr. … bei der Bayer. Hypo-Bank … liegende Bargeld,

2) sowie das Geld von meinem Sparbuch-Kto. … bei obiger Bank

3) DM Zehntausend (10.000.-) aus meinen Bundes-Schatzbriefen, die ebenfalls unter Depot Nr. … bei obiger Bank liegen

4) angespartes Geld aus Sparvertrag Kto. … bei obiger Bank

5) angespartes Geld auf meinem Postsparbuch Nr. …

6) Sie erhält meinen gesamten Schmuck, von dem sie nach Ermessen unserer Nichte abgeben kann.

III.

Mein Bruder Peter (Beteiligter zu 2), z.Zt. … erhält:

1) DM Fünftausend (5.000.-) aus meinen Bundes-Schatzbriefen, die unter Depot-Nr. … bei der Bayer. Hypobank … liegen,

2) meinen PKW … einschl. Zubehör

3) falls daran interessiert: meine Wohnung … mit Möbeln, Wäsche, Hausrat, Radio und Farbfernseher oder nach Absprache mit unserer Schwester E … den Erlös aus der Wohnung mit eigener Gasheizung und Öl-Badeofen.

IV.

Meine Schwester E verpflichtet sich:

1) die Bestattungskosten, abzgl. des von der DAK zu zahlenden Betrages zu übernehmen.

2) …

Ausweislich des von der Beteiligten zu 1 erstellten Nachlaßverzeichnisses vom 21.10.1986 setzt sich der Nachlaß aus Sparguthaben und Wertpapieren in Höhe von rund 28 000 DM zusammen. Die Nachlaßverbindlichkeiten und Todesfallkosten sollen insgesamt rund 5 000 DM betragen haben. Der Erblasserin gehörten ferner Miteigentumsanteile an zwei nebeneinander liegenden Grundstücksparzellen im Gebiet der ehemaligen DDR. Sie sind nach den Feststellungen des Landgerichts „verwildert” und mit einem jetzt vollkommen verfallenen Wochenendhaus bebaut. Ihr Wert soll nach vorläufiger Schätzung der beiden Beteiligten im Todeszeitpunkt der Erblasserin zwischen 5 000 und 20 000 DM betragen haben. Sie sind derzeit zu einem Pachtzins von monatlich 36 DM verpachtet.

Zu notarieller Urkunde vom 12.12.1986 schlossen die beiden Beteiligten einen Erbauseinandersetzungsvertrag, in dem sie erklärten, daß die Beteiligte zu 1 aufgrund des Testaments Alleinerbin und der Beteiligte zu 2 Vermächtnisnehmer seien. Nachdem die Auseinandersetzung durchgeführt worden war, erteilte das Amtsgericht – Nachlaßgericht – München der Beteiligten zu 1 einen Erbschein vom 19.1.1987, der sie als Alleinerbin ausweist.

Mit Schriftsatz vom 17.8.1990 legte die Beteiligte zu 1 dem Staatlichen Notariat X. (DDR) einen notariell beurkundeten Antrag vom 15.8.1990 vor, mit dem sie die Erteilung eines „gegenständlich beschränkten Erbscheins bezüglich des in der DDR befindlichen Nachlasses” beantragte. Diesen Antrag nahm sie mit Schriftsatz vom 17.12.1990 gegenüber dem Amtsgericht München zurück, an das die Sache vom Kreisgericht X. abgegeben worden war. Auch der Beteiligte zu 2 übermittelte dem Staatlichen Notariat X. mit Schriftsatz vom 6.9.1990 einen notariell beurkundeten Antrag vom 9.8.1990 auf Erteilung eines „gegenständlich beschränkten Teilerbscheins” bezüglich des in der früheren DDR belegenen Grundvermögens, demzufolge er, seine Schwester (die Beteiligte zu 1) und seine Halbschwes...

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