Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache: Duldungspflicht eines Balkons sowie Antragsrecht eines Ersterwerbers sowie bauliche Veränderung vor Fertigstellung
Verfahrensgang
AG Erlangen (Aktenzeichen 1 UR II 32/88) |
LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 14 T 6298/89) |
Tenor
I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluß des Landgerichts Nürnberg – Fürth vom 1. Oktober 1990 aufgehoben und die Sache zur neuen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
II. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 30.000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsgegner und die weiteren Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Der Antragsgegner hatte im Jahr 1983 das Wohnungseigentum durch Teilung geschaffen. Die Antragsteller kauften im Jahr 1985 von ihm eine im 2. Obergeschoß gelegene Wohnung. Sie sind im Wohnungsgrundbuch noch nicht eingetragen; ihr Eigentumsverschaffungsanspruch ist jedoch durch eine Vormerkung gesichert.
In dem notariellen Kaufvertrag heißt es u. a.
Das Gebäude des Vertragsobjekts steht unmittelbar an der Westgrenze zu dem im Westen und Norden angrenzenden Grundstück Fl. Nr. 3/3 Gemarkung …; das … an … verkauft hat. Die Balkone und die Terrasse im Erdgeschoß sind auf Fl. Nr. 3/3 übergebaut.
Möglicherweise steht das Gebäude nicht unmittelbar an der westlichen Grundstücksgrenze, sondern in einem Abstand dazu von ca. 75 cm.
Die Einheit Nummer 2, die zwar verkauft ist, deren Eigentümer aber noch der Antragsgegner ist, ist in der Teilungserklärung wie folgt beschrieben:
… Miteigentumsanteil, verbunden mit dem Sondereigentum an den gewerblichen Räumen im Erdgeschoß rechts mit einer Nutzfläche von ca. 86,28 m² samt dem dazugehörigen Keller.
Die Antragsteller beanstanden, daß der Antragsgegner im Jahr 1988 diese Einheit nach deren Umbau zu einer Wohnung mit einem Balkon versehen hat.
Die Antragsteller haben beantragt, den Antragsgegner bei Meidung eines Ordnungsgeldes oder von Ordnungshaft im Fall der Zuwiderhandlung zu verpflichten,
- die der Käuferin der Wohnung Nummer 2 … gewährten Sonderrechte in bezug auf die an der Westseite gelegene Terrasse an die Gemeinschaft zurückzugewähren,
- die ursprüngliche Gestaltung der westlichen Hausfassade im Bereich der Terrasse durch Entfernung des Balkons, der beiden Terrassentüren und den Wiedereinbau von 2 Fenstern wiederherzustellen.
Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 5.7.1989 den Antrag abgewiesen. Das Landgericht hat mit Beschluß vom 1.10.1990 die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller.
II.
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht, da dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung nicht möglich ist, ob den noch nicht im Grundbuch eingetragenen Antragsteilern ein Antragsrecht gemäß § 43 Abs. 1 WEG zusteht.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Die Antragsteller hätten ein Antragsrecht, da sie ihre Wohnung übernommen hätten und der Erwerb des Wohnungseigentums durch eine Vormerkung gesichert sei. Der Antrag sei auch zu Recht gegen den Antragsgegner gerichtet, weil er noch Eigentümer der Wohnung Nummer 2 und deshalb richtiger Adressat für den Anspruch auf Beseitigung des Balkons und auf Rückgewähr des 75 cm breiten Streifens zwischen Hauswand und und Nachbargrundstück sei. Der Anspruch sei aber unter Anwendung der zu § 22 Abs. 1 WEG entwickelten Rechtsgrundsätze nicht begründet. Dabei könne offen bleiben, ob das Gebäude, wie es die Planung vorgesehen habe, unmittelbar an der Grundstücksgrenze oder 75 cm davon entfernt stehe. Jedenfalls würden Rechte der Antragsteller nicht über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt. Ein etwa vorhandener Grundstücksstreifen mit einer Breite von 75 cm könne von den Antragstellern nicht sinnvoll genutzt werden, zumal die auf dem Nachbargrundstück ruhende Dienstbarkeit nur die Überbauung des Grundstücks mit Balkonen und einer Terrasse vor der Einheit Nummer 2 gestatte, nicht aber eine sonstige Nutzung. Wäre vor der Einheit Nummer 2 eine Terrasse gebaut worden, so stünde diese nur dem jeweiligen Eigentümer der Einheit Nummer 2 zu. Auch sei es dem Eigentümer der Einheit Nummer 2 nicht zuzumuten, die Benutzung der Terrasse unmittelbar vor seinen Wohnungsfenstern durch andere Wohnungseigentümer zu dulden. Schließlich könnten sich die Antragsteller auch nicht darauf berufen, beim Kauf ihrer Wohnung darauf vertraut zu haben, den fraglichen Grundstücksstreifen benutzen zu können, weil nach der Planung die westliche Mauer des Gebäudes unmittelbar an der Grundstücksgrenze hätte errichtet werden sollen. Hinzukomme, daß die Antragsteller von dem Freisitz ihrer Wohnung aus einen Blick auf die Regnitz hätten und folglich nicht auf den schmalen Grundstücksstreifen vor der Westfassade des Gebäudes angewiesen seien, um die Aussicht auf den Fluß genießen zu können. Durch den Anbau ...