Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsentscheid in Mietsachen: Vorlagefrage ohne wohnraummietrechtlichen Bezug. Kündigung und Mängelbeseitigung
Leitsatz (amtlich)
Die Frage, ob der Mieter trotz Verlusts seines Minderungsrechts gemäß §§ 537, 539 BGB dem Mietzinsanspruch des Vermieters im Hinblick auf den Mängelbeseitigungsanspruch gemäß § 536 BGB die Einrede des nicht erfüllten Vertrages (§ 320 BGB) entgegenhalten kann, hat keinen speziellen wohnraummietrechtlichen Bezug und ist daher der Beantwortung durch einen Rechtsentscheid nicht zugänglich.
Normenkette
ZPO § 541; BGB §§ 320, 536, 539
Verfahrensgang
Tenor
Ein Rechtsentscheid ergeht nicht.
Tatbestand
I.
Der Kläger hat 1978 an die Beklagte eine Wohnung im 5. Stock seines Miethauses in München vermietet. 1983 baute er den 6. Stock dieses Hauses ohne Genehmigung aus. Die so entstandene, über derjenigen der Beklagten liegende Wohnung ist seit 1986 an eine alleinstehende Frau vermietet. Die Beklagte macht geltend, durch das Verhalten dieser Mieterin würden seit vielen Jahren Geräusche verschiedenster Art verursacht, die infolge der schlechten Schallisolierung in ihrer Wohnung deutlich hörbar und äußerst störend seien. Zahlreiche Bitten an die Mieterin um mehr Ruhe und Aufforderungen an die Hausverwaltung des Klägers, die Störungen zu unterbinden, seien erfolglos geblieben.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 18.9.1997 Mietminderung geltend gemacht, mit einem Rückforderungsanspruch gegen die Mietansprüche ab August 1997 aufgerechnet, die Beseitigung der Mängel verlangt und für die Zukunft bis zur Beseitigung der Mängel ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe von 50 % des Mietzinses geltend gemacht. Der Kläger hat daraufhin am 23.12.1997 das Mietverhältnis wegen rückständiger Mietzahlungen gekündigt. Am 20.1.1998 hat er Räumungsklage erhoben; in einem später hinzuverbundenen Verfahren hat er außerdem Zahlung der Miete für die Monate August bis November 1997 verlangt. Nachdem die Beklagte die Miete unter Vorbehalt nachgezahlt hatte, hat er den Rechtsstreit für erledigt erklärt.
Die Beklagte hat Widerklage erhoben und beantragt, den Kläger zur Rückzahlung von Mieteinnahmen sowie zur Herstellung eines den anerkannten Regeln der Technik entsprechenden Schallschutzes zwischen den Wohnungen zu verurteilen, ferner festzustellen, daß der Kläger für April 1997 keine Miete, ab Mai 1997 nur einen Mietanspruch in Höhe von netto 265,-- DM bzw. 272,50 DM verlangen könne.
Das Amtsgericht hat festgestellt, daß die Klage in der Hauptsache erledigt sei, und die Widerklage hinsichtlich Mietrückzahlung und Feststellungsbegehren abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß die Beklagte den gerügten Mangel über Jahre hinweg hingenommen habe; sie sei daher mit ihren Minderungsansprüchen ausgeschlossen. Hinsichtlich des Mangelbeseitigungsanspruchs hat das Amtsgericht das Verfahren abgetrennt. Die Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt mit dem Ziel der Klageabweisung und der Verurteilung des Klägers entsprechend den abgewiesenen Widerklageanträgen. Sie macht insbesondere weiterhin geltend, daß ihr hinsichtlich von Teilen des Mietzinses ein Zurückbehaltungsrecht zustehe, solange die Wohnung wegen der Lärmbelästigung mangelbehaftet sei.
Das Landgericht hat beschlossen, zu folgender Rechtsfrage einen Rechtsentscheid einzuholen:
Ist in einem Wohnraummietverhältnis bei Bestehen eines auf Mängelbeseitigung gerichteten Erfüllungsanspruchs aus § 536 BGB die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts durch den Mieter gemäß § 539 BGB analog dann ausgeschlossen, wenn einer Mietzinsminderung wegen derselben Mängel § 539 BGB entgegensteht?
Es ist wie das Amtsgericht der Auffassung, daß in analoger Anwendung zu § 539 BGB ein Minderungsrecht der Beklagten nicht mehr bestehe. In Anwendung des in § 539 BGB niedergelegten Rechtsgedankens sei die Beklagte auch gehindert, sich zur Erzwingung ihres Anspruchs auf Mängelbeseitigung auf das Zurückbehaltungsrecht aus § 320 BGB zu berufen. Da jedoch das Oberlandesgericht Köln mit Urteil vom 28.10.1991 (NJW-RR 1993, 466) eine andere Auffassung vertreten habe, könne es diese Rechtsansicht seiner Entscheidung nicht zugrunde legen. Das Landgericht hat daher wegen Divergenz (§ 541 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO) die Rechtsfrage dem Bayerischen Obersten Landesgericht vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Vorlage ist zwar statthaft. Ein Rechtsentscheid kann aber nicht ergehen, weil die vorgelegte Rechtsfrage die Voraussetzungen des § 541 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht erfüllt.
- Gemäß § 541 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Rechtsentscheid nur zu Rechtsfragen ergehen, die sich aus einem Mietverhältnis über Wohnraum ergeben oder den Bestand eines solchen Mietverhältnisses betreffen. Diese Voraussetzung ist jedenfalls dann erfüllt, wenn die Rechtsfrage nach Bestimmungen zu beantworten ist, die nur für Wohnraummietverhältnisse gelten. Dem Rechtsentscheid sind aber auch Rechtsfragen zu...