Leitsatz (amtlich)
Es bleibt offen, ob auch für die Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gegen die Nichtzulassung eines Rechtsmittels nicht mehr die außerordentliche weitere Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit, sondern nur noch die Selbstkorrektur durch das Beschwerdegericht analog § 321a ZPO statthaft ist (entspr. BGH NJW 2002, 157).
Normenkette
FGG § 27 Abs. 1, § 56g Abs. 5 S. 2; ZPO § 321a analog
Verfahrensgang
AG München (Aktenzeichen 705 XVII 5721/94) |
LG München I (Aktenzeichen 13 T 18514/00) |
Tenor
Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG München I vom 12.4.2002 wird verworfen.
Gründe
I. Für den am 21.5.1997 verstorbenen Betreuten wurde am 5.4.1995 ein Berufsbetreuer bestellt. Das AG bewilligte diesem für den Zeitraum vom 1.9.1996 bis zum 1.4.1997 durch Beschluss vom 26.5.1997 eine Vergütung von 40.904,52 DM.
Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde des Erben hat das LG am 12.4.2002 die Vergütung auf 15.262,06 Euro herabgesetzt und eine weitere Beschwerde nicht zugelassen.
Mit seiner weiteren Beschwerde verfolgt der Erbe sein Ziel weiter, dass bei der Festsetzung der Vergütung eine von ihm erklärte Aufrechnung mit einem gegen den ehemaligen Betreuer geltend gemachten Schadensersatzanspruch sowie weitere Einwendungen berücksichtigt werden.
Nach der Einlegung der weiteren Beschwerde hat das LG am 18.6.2002 die Gegenvorstellungen des Erben gegen den Beschluss vom 12.4.2002 zurückgewiesen.
II. Das Rechtsmittel ist unzulässig und damit zu verwerfen.
1. Für die Zulässigkeit des Rechtsmittels ist das zum Zeitpunkt seiner Einlegung geltende Recht maßgebend. Daher richtet sich die Zulässigkeit, obwohl die Ausgangsentscheidung vor In-Kraft-Treten des BtÄndG am 1.1.1999 getroffen wurde, nach den Bestimmungen des § 56g FGG (vgl. BayObLGZ 1999, 121 [122]). Danach ist gegen die Beschwerdeentscheidung des LG die weitere Beschwerde nur statthaft, wenn das LG diese wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen hat (vgl. § 56g Abs. 5 S. 2 FGG). Dies ist hier nicht der Fall. Die Anfechtbarkeit der Nichtzulassungsentscheidung ist vom Gesetz nicht vorgesehen, so dass sie grundsätzlich der Nachprüfung durch den Senat entzogen und für ihn bindend ist (vgl. BayObLGZ 2000, 8 [11]; BayObLGZ 1999, 121 [122]; OLG Düsseldorf v. 30.1.2001 – 25 Wx 4/01, FamRZ 2001, 1325).
2. Gegen die Entscheidung des LG, die weitere Beschwerde nicht zuzulassen, besteht auch keine Anfechtungsmöglichkeit mittels einer außerordentlichen Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit.
a) Nach der bisher h.M. und Rechtsprechung können unanfechtbare Entscheidungen dann ausnahmsweise mit einer im Gesetz nicht vorgesehenen außerordentlichen Beschwerde angegriffen werden, wenn greifbare Gesetzwidrigkeit vorliegt. Greifbare Gesetzwidrigkeit setzt voraus, dass die angegriffene Entscheidung jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und inhaltlich dem Gesetz fremd ist, sie also schlechthin unvereinbar mit der geltenden Rechtsordnung ist (vgl. BGH v. 22.7.1997 – XI ZB 15/97, NJW-RR 1998, 63; BayObLG v. 8.10.1997 – 3Z BR 384/97, NJW-RR 1998, 1047; KG v. 14.5.1996 – 1 W 2379/96, 1 W 2380/96, KGReport Berlin 1996, 186, FGPrax 1996, 182; Bassenge/Herbst/Roth, FGG/RPflG, 9. Aufl., § 19 FGG Rz. 16 m.w.N.). Ein Verstoß gegen eindeutiges materielles Recht (vgl. OLG Frankfurt v. 28.7.1997 – 20 W 250/97, OLGReport Frankfurt 1997, 202 = FGPrax 1997, 2000) genügt ebenso wenig wie ein Verstoß gegen grundlegende Verfahrensvorschriften, zu denen auch das Recht auf Gewährung des rechtlichen Gehörs zählt (vgl. BGH v. 16.4.1986 – IVb ZB 14/86, NJW-RR 1986, 1263; BayObLG v. 8.10.1997 – 3Z BR 384/97, NJW-RR 1998, 1047; OLG Köln v. 4.1.2001 – 17 W 406/00, MDR 2001, 589; Bassenge/Herbst/Roth, FGG/RPflG, 9. Aufl., § 19 FGG Rz. 16).
b) Der BGH hat demgegenüber nach In-Kraft-Treten des Zivilprozessreformgesetzes für den Bereich der ZPO-Verfahren entschieden, dass eine derartige außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit nicht mehr statthaft ist (vgl. BGH v. 7.3.2002 – IX ZB 11/02, BGHReport 2002, 431 = MDR 2002, 901 = NJW 2002, 1577). Zur Begründung hat er ausgeführt, dass der Gesetzgeber in Kenntnis der Problematik der Verletzung von Verfahrensgrundrechten bei der Neuregelung der Rechtsbeschwerde bewusst davon abgesehen habe, eine dem Revisionsrecht vergleichbare Korrektur dieser Fehler zu schaffen. Vielmehr habe der Gesetzgeber für den Fall der Verletzung des rechtlichen Gehörs in § 321a ZPO eine Abhilfemöglichkeit durch das entscheidende Gericht selbst vorgesehen. Diese Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers sei zu beachten. Ein etwa gegebener Verfassungsverstoß sei damit durch das erstinstanzliche Gericht auf entsprechende Gegenvorstellungen zu korrigieren. Für den Fall, dass das Gericht einen Verfassungsverstoß nicht ausräume, komme allein die Anrufung des BVerfG in Betracht.
c) Es kann offen bleiben, ob, wofür nicht nur die Gesetzeslage, sondern auch Gründe der Praktikabilität sprechen könnten, diese Grundsätze auf den...