Leitsatz (amtlich)
1. Auswirkungen der Formnichtigkeit einer einem gemeinschaftlichen Testament angefügten nicht unterschriebenen Wiederverheiratungsklausel auf die in dem Testament verfügte Einsetzung des Ehegatten zum Alleinerben.
2. Anordnung einer Nachlasspflegschaft bei konkreten im Erbscheinsverfahren erst noch zu klärenden Zweifeln an der Gültigkeit einer Verfügung von Todes wegen.
Verfahrensgang
LG Traunstein (Beschluss vom 21.10.2003; Aktenzeichen 4 T 3754/03) |
LG Traunstein (Beschluss vom 11.06.2003; Aktenzeichen 4 T 286/03) |
AG Rosenheim (Aktenzeichen VI 1308/00) |
Tenor
I. Die weiteren Beschwerden des Beteiligten zu 1) gegen die Beschlüsse des LG Traunstein vom 11.6.2003 und 21.10.2003 werden zurückgewiesen.
II. Der Beteiligte zu 1) hat den Beteiligten zu 2) und 3) die in den Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert wird für das Verfahren der weiteren Beschwerde gegen den Beschluss des LG Traunstein vom 11.6.2003 auf 168.840 Euro und für das Verfahren der weiteren Beschwerde gegen den Beschluss des LG Traunstein vom 21.10.2003 auf 108.672,70 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die im Jahr 2000 im Alter von 73 Jahren verstorbene Erblasserin war seit 1949 mit dem Beteiligten zu 1) verheiratet. Aus dieser Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen, die Beteiligten zu 2) und 3). Sonstige Kinder hatte die Erblasserin nicht.
Mit einem handschriftlichen gemeinschaftlichen Testament vom 20.2.1988 setzten die Erblasserin und ihr Ehemann die Beteiligten zu 2) und 3) zu Erben ihres gesamten Vermögens ein.
In drei weiteren handschriftlichen gemeinschaftlichen Testamenten gleichen Inhalts vom 18.12.1993 bekundeten die Erblasserin und ihr Ehemann ihren letzten Willen wie folgt:
„Der überlebende Teil ist Alleinerbe.
Erst wenn beide verstorben sind, geht es an unsere beiden Kinder:… (Beteiligte zu 2) und 3)).
Die aus 1. Ehe (des Mannes) stammende Tochter erhält nichts, da sie geäußert hat, sie will von ihrem Vater nichts wissen, Beschluss vom … – sie führte sowieso ein liderliches Leben.
Mein Ehemann schließt sich mit derselben Meinung mit seiner Unterschrift an:”
Die drei gleichlautenden auf den 18.12.1993 datierten Testamente wurden handschriftlich von der Erblasserin geschrieben und unterschrieben. Der Beteiligte zu 1) hat seine Unterschrift eigenhändig hinzugesetzt.
Unterhalb der Unterschriften der Erblasserin und des Beteiligten zu 1) wurde in den drei Testamentsurkunden von der Erblasserin handschriftlich jeweils folgender Text angefügt:
„P.S. Der überlebende Teil darf nicht mehr heiraten!”
Dieser Zusatz ist weder von der Erblasserin noch von dem Beteiligten zu 1) unterschrieben.
Die Testamente wurden am 23.1.2001 vor dem Nachlassgericht eröffnet. Dabei erklärte der Beteiligte zu 1) zu Protokoll des Nachlassgerichts, es sei sein Wille und der Wille der Erblasserin gewesen, dass der Nachlass des Erstversterbenden bei Wiederheirat des überlebenden Ehegatten auf die Kinder übergehe.
Der Beteiligte zu 1) beantragte einen Erbschein nur zum Zwecke der Berichtigung des Grundbuchs, wonach die Erblasserin von ihm allein beerbt worden ist. Diesen Erbschein hat das Nachlassgericht am 22.2.2001 antragsgemäß erteilt.
Am 14.9.2001 hat der Beteiligte erneut geheiratet. Die Beteiligte zu 2) regte daraufhin mit Schreiben vom 5.9.2002 ggü. dem Nachlassgericht die Einziehung des Erbscheins an. Sie trug vor, das Testament vom 18.12.1993 enthalte eine Wiederverheiratungsklausel, die zur Folge habe, dass der Beteiligte zu 1) nach seiner erneuten Eheschließung nicht mehr Alleinerbe sei und statt dessen die Erblasserin von den Beteiligten zu 2) und 3) beerbt worden sei. Der Wiederverheiratungsklausel sei durch Einziehung des Erbscheins Rechnung zu tragen, zumal der Beteiligte zu 1) im Begriffe sei, den Nachlass der Erblasserin im Wesentlichen seiner neuen Ehefrau zu übertragen.
Das Nachlassgericht lehnte mit Beschluss vom 4.11.2002 die Einziehung des Erbscheins vom 22.2.2001 ab, weil das in dem Testament vom 18.12.1993 enthaltene Postskriptum mangels Unterschrift formnichtig sei. Auf die hiergegen von den Beteiligten zu 2) und 3) eingelegte Beschwerde hat das LG mit Beschluss vom 11.6.2003 nach Anhörung der Beteiligten den Beschluss des Nachlassgerichts vom 4.11.2002 aufgehoben und das Nachlassgericht angewiesen, den Erbschein vom 22.2.2001 einzuziehen. Gegen den Beschluss des LG vom 11.6.2003 hat der Beteiligte zu 1) weitere Beschwerde eingelegt (1Z BR 71/03).
Die Beteiligten zu 2) und 3) haben mit Schreiben vom 16.8.2003 bei dem Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins beantragt, wonach die Erblasserin von den Beteiligten zu 2) und 3) je zur Hälfte beerbt worden ist. Über diesen Erbscheinsantrag hat das Nachlassgericht bisher nicht entschieden. Auf der Grundlage der Entscheidung des LG vom 11.6.2003 hat das Nachlassgericht mit Beschluss vom 21.8.2003 den Erbschein vom 22.2.2001 als unrichtig eingezogen. Außerdem hat das Nachlassgericht mit Beschluss vom 21.8.2003 Nachlasspflegschaft für die unbekannten Erben ...