Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentümersache: Wohnungseigentumsgerichtliche Zuständigkeit bei faktischer Gemeinschaft sowie Bindungswirkung bei unrichtigem Abgabebeschluss
Verfahrensgang
AG Passau (Entscheidung vom 27.11.1990; Aktenzeichen 3 AR 156/90) |
LG München I (Entscheidung vom 28.05.1990; Aktenzeichen 23 O 8524/87) |
Tenor
Zuständig ist das Landgericht München I.
Gründe
I.
Kläger/Antragsteller und Beklagte/Antragsgegner sind die Beteiligten einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die als Bauherrengemeinschaft zwei Grundstücke erwerben und dort ein Appartement-Hotel bauen wollten. Das Hotel sollte in 51 Appartements und 4 Teileigentumseinheiten unterteilt werden. Zur Durchführung der erforderlichen Maßnahmen, insbesondere zum Abschluß der notwendigen Verträge, haben die Parteien einen Treuhänder bestellt und diesem Vollmachten erteilt, u. a. zum Abschluß des Vertrags „über die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum auf der Grundlage der üblichen für vergleichbare Wohnanlagen geltenden Bestimmungen einschließlich der Bestellung des Verwalters samt Verwaltervertrag.” Nach dem Vortrag aller Parteien ist bisher die Begründung von Wohnungseigentum nicht vereinbart worden. Eine solche Erklärung befindet sich nur als Entwurf bei den Akten. Die Parteien haben Miteigentumsanteile erworben, ihr Eigentumsverschaffungsanspruch ist durch Auflassungsvormerkungen gesichert.
Der Kläger hat 1987 beim Landgericht München I Klage erhoben mit dem Antrag festzustellen, daß mehrere Beschlüsse der Gesellschafterversammlung vom 27.3.1987 unwirksam sind. Die Klage hat er in der Folgezeit erweitert auf einige Beschlüsse der Gesellschafterversammlung vom 14.8.1987.
Der Bundesgerichtshof hat auf Antrag des Klägers mit Beschluß vom 25.2.1988 das Landgericht München I nach § 36 Nr. 3 ZPO als das örtlich zuständige Gericht bestimmt.
Mit Beschluß vom 28.5.1990 hat sich das Landgericht für funktionell unzuständig erklärt und das Verfahren an das Amtsgericht Passau abgegeben, weil die Parteien eine faktische Wohnungseigentümergemeinschaft bildeten und der Rechtsstreit deshalb im Wohnungseigentumsverfahren nach § 43 WEG zu führen sei.
Das Amtsgericht hat sich mit Beschluß vom 27.11.1990 für örtlich und sachlich unzuständig erklärt und die Sache dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Nr. 6 ZPO vorgelegt.
II.
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist als das gemeinsame nächsthöhere Gericht zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits zwischen Prozeßgericht und Wohnungseigentumsgericht in entsprechender Anwendung des § 36 Nr. 6 ZPO berufen. Obwohl Landgericht und Amtsgericht hier zum selben Oberlandesgerichtsbezirk gehören, besteht eine Zuständigkeit des Oberlandesgerichts nicht, weil es in Bayern nicht zur Entscheidung über weitere Beschwerden in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit berufen ist (BayObLGZ 1990, 233/234 f.).
2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Nr. 6 ZPO liegen vor.
a) Das erforderliche Gesuch (§ 37 Abs. 1 ZPO) liegt hier in der Vorlage durch das Amtsgericht (Thomas/Putzo ZPO 16. Aufl. § 36 Anm. 1 b. § 37 Anm. 1 a).
b) Gemäß § 36 Nr. 6 ZPO wird das zuständige Gericht dann bestimmt, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Hier ist sowohl die Entscheidung des Landgerichts als die auch die des Amtsgerichts rechtskräftig.
Die Abgabeentscheidung des Landgerichts an das Amtsgericht gemäß § 46 WEG ist unanfechtbar (BGHZ 97, 287). Der Beschluß des Amtsgerichts, mit dem es sich für unzuständig erklärt hat, ist zwar nach § 45 Abs. 1 WEG anfechtbar (vgl. dazu BayObLGZ 1990, 233/235 f.); die Frist zur Anfechtung des amtsgerichtlichen Beschlusses ist aber abgelaufen, ohne daß ihn eine Partei angefochten hat.
3. Als zuständiges Gericht ist das Landgericht München I zu bestimmen. Zwar ist sein Abgabebeschluß vom 28.5.1990 gemäß § 46 Abs. 1 Satz 3 WEG grundsätzlich bindend. Im vorliegenden Fall kommt dem Beschluß aber deshalb keine Bindungswirkung zu, weil er offensichtlich unrichtig ist (BayObLGZ 1986, 285/287).
Das Landgericht begründet seine Meinung, das Wohnungseigentumsgericht sei zuständig, damit, daß die Parteien eine werdende Wohnungseigentümergemeinschaft bilden. Eine solche liegt vor, wenn sich im Stadium der Begründung von Wohnungseigentum vor rechtlicher Vollendung durch Eintragung der Wohnungseigentümer im Grundbuch die künftigen Wohnungseigentümer, ohne rechtlich schon solche zu sein, tatsächlich wie Wohnungseigentümer verhalten. Das Entstehen einer werdenden oder faktischen Wohnungseigentümergemeinschaft setzt als Mindestanforderungen voraus, daß die Wohnungseigentumsanwärter die Eigentumswohnung in Besitz genommen haben und ihr Anspruch auf Verschaffung des Eigentums an der Wohnung durch eine im Grundbuch eingetragene Auflassungsvormerkung gesichert ist (BayObLGZ 1990, 101/102). Ob darüber hinaus die Wohnungsgrundbücher angelegt sein müssen oder d...