Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache
Verfahrensgang
AG München (Aktenzeichen UR II 200/86) |
LG München I (Aktenzeichen 1 T 24398/87) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 3. August 1988 wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner hat die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 90 000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Dem Antragsgegner gehört die Wohnung Nr. 8; er hat sie im Jahr 1982 erworben; sie wird seit 1982 vom Sohn des Antragsgegners als Zahnarztpraxis genutzt.
§ 1 Nr. 2 der als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragenen Gemeinschaftsordnung (GO) lautet:
- Die Wohnungen mit den Aufteilungsplan-Nummern 1, 4 und 5 … dürfen ohne jedes Zustimmungserfordernis – insbesondere ohne Zustimmung des Verwalters – zu gewerblichen oder freiberuflichen Zwecken benutzt werden. Die übrigen Wohnungen dürfen grundsätzlich nur für Wohnzwecke verwendet werden; zur Benutzung dieser Wohnungen für gewerbliche oder freiberufliche Zwecke bedarf es der schriftlichen Zustimmung des Verwalters.
- Die Zustimmung ist widerruflich und kann auch unter Bedingungen erteilt werden. Der Verwalter kann die Zustimmung verweigern oder widerrufen; dies gilt insbesondere, wenn die Ausübung des Gewerbes oder freien Berufes eine erhebliche Beeinträchtigung der Eigentümer oder der Hausbewohner mit sich bringt oder auch nur befürchten läßt oder wenn aus der gewerblichen oder freiberuflichen Nutzung den derzeitigen Grundstückseigentümern oder späteren Eigentümern steuerliche Nachteile entstehen.
Dem früheren Eigentümer der Wohnung Nr. 8, dem auch die Wohnung Nr. 4 gehört, in der er eine Zahnarztpraxis betreibt, wurde vom damaligen Verwalter mit Schreiben vom 1.9.1977 die Genehmigung erteilt, die Wohnung Nr. 8 „im Rahmen der von ihm betriebenen zahnärztlichen und kieferorthopädischen Praxis” gewerblich zu nutzen. Die Wohnung wurde in der Folgezeit als Nebenraum der Zahnarztpraxis in der Wohnung Nr. 4 genutzt.
Die vom Sohn des Antragsgegners am 5.4.1982 erbetene Zustimmung zu der Eröffnung einer zahnärztlichen Praxis in der Wohnung Nr. 8 wurde am 16.4.1982 vom jetzigen Verwalter verweigert; außerdem wurde am 30.7.1982 die dem Rechtsvorgänger des Antragsgegners erteilte Zustimmung widerrufen.
Die Antragsteller haben beantragt, dem Antragsgegner unter Androhung von Ordnungsmitteln für den Fall der Zuwiderhandlung zu verbieten, die Wohnung als Zahnarztpraxis zu nutzen oder durch Dritte nutzen zu lassen. Das Amtsgericht hat am 16.11.1987 beschlossen:
Dem Antragsgegner wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes von 80 000 DM oder, wenn es nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft von 40 Tagen für jeden Fall der Zuwiderhandlung verboten, nach acht Monaten ab Rechtskraft dieses Beschlusses seine … Wohnung als Zahnarztpraxis entweder selbst zu nutzen oder durch Dritte nutzen zu lassen.
Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde des Antragsgegners durch Beschluß vom 3.8.1988 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde.
II.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat – teilweise unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Amtsgerichts – ausgeführt:
Aus der Regelung in § 1 Nr. 2 GO folge, daß die zu Wohnzwecken vorgesehene Wohnung ausnahmsweise als Arztpraxis genutzt werden dürfe, wenn der Verwalter oder die Wohnungseigentümer zustimmten oder die Verweigerung der Zustimmung mißbräuchlich sei.
Auf die seinem Rechtsvorgänger erteilte Genehmigung könne sich der Antragsgegner nicht berufen, weil sie auf den Rechtsvorgänger zugeschnitten sei. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut des Schreibens vom 1.9.1977; danach sei die gewerbliche Nutzung im Rahmen der von dem Rechtsvorgänger in der Wohnung Nr. 4 betriebenen Zahnarztpraxis genehmigt worden. Im übrigen sei diese Genehmigung am 30.7.1982 widerrufen worden. Nach der Gemeinschaftsordnung sei ein Widerruf unter den gleichen Voraussetzungen möglich wie die Verweigerung der Zustimmung.
Dem Verwalter sei ein Ermessensspielraum bei der Genehmigung oder dem Widerruf eingeräumt. Die Grenze sei ein Ermessensmißbrauch oder Willkür. Beides liege nicht vor. Die erhöhten Aufwendungen und Beeinträchtigungen, die sich aus dem Publikumsverkehr bei einer Nutzung als Arztpraxis im Vergleich zu einer Nutzung als Familienwohnung ergäben, seien schlüssig dargetan. Aus der Fassung von § 1 Nr. 2 GO folge, daß die Zustimmung nicht nur in den beispielhaft aufgezählten Fällen verweigert werden könne, sondern auch aus anderen Gründen. Zu denken sei dabei, daß mit jeder weiteren Arztpraxis der Wohnhauscharakter in den Hintergrund trete; auch die Befürchtung, Bezugsfälle zu schaffen, oder nur die mit einer Zahnarztpraxis einhergehenden Belästigungen kämen in Betracht. Die Gemeinschaftsordnung sage gerade nicht, daß die Zustimmung nur aus wichtigem Grund...