Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbscheinsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die Einziehung des Erbscheins ist funktionell allein das Nachlassgericht zuständig.
2. Sind für bestimmte Arten von Gutachten Sachverständige öffentlich bestellt, sollen andere Personen zwar nur dann ausgewählt werden, wenn besondere Umstände dies erfordern (§ 404 Abs. 2 ZPO); dies ist aber eine reine, so daß daraus kein Verfahrensfehler abgeleitet werden kann. Für das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt nichts anderes.
Normenkette
BGB §§ 2247, 2361; ZPO § 404
Verfahrensgang
LG Deggendorf (Beschluss vom 30.12.1988; Aktenzeichen T 222/86) |
AG Deggendorf (Beschluss vom 10.03.1987; Aktenzeichen VI 558/85) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts Deggendorf vom 30. Dezember 1988 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß das Amtsgericht – Nachlaßgericht – Deggendorf angewiesen wird, den am 10. März 1987 bewilligten Erbschein einzuziehen.
II. Die Beteiligte zu 1 hat der Beteiligten zu 2 die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 227.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Erblasser verstarb als kinderloser Witwer im 74. Lebensjahr. Die Mutter der Beteiligten zu 2 war seine Schwester. Die Beteiligten zu 1, 3, 4 und 5 sind seine Halbgeschwister und stammen aus der zweiten Ehe seines Vaters. Nach dem Tode des Erblassers hat die Beteiligte zu 1 ein aus dem Jahre 1982 stammendes als Nottestament bezeichnetes Schriftstück vorgelegt, das der Erblasser lediglich unterschrieben hatte, außerdem ein Blatt Papier im Format 14,5 × 15, auf dem mit der Hand und schwarzem Faserschreiber geschrieben worden war:
Deggendorf 21.03.1984.
Testament.
… (= Erblasser) möchte nach
seinem Tod seine Schwester … (= Bet. zu 1)
zur Alleinerbin einsetzen.
… (= Erblasser)
Die Beteiligte zu 1 beantragte beim Amtsgericht – Nachlaßgericht – Deggendorf einen Erbschein, der sie auf Grund des Testaments vom 21.3.1984 als Alleinerbin ausweist. Die Mutter der Beteiligten zu 2 beantragte demgegenüber einen gemeinschaftlichen Erbschein als gesetzliche Erbin zu 6/10 neben den Beteiligten zu 1, 3, 4 und 5 als Miterben zu je 1/10. Sie behauptete, der Erblasser habe das Testament weder geschrieben noch unterzeichnet. Das Nachlaßgericht kündigte nach Beweisaufnahme mit Beschluß vom 28.11.1986 an, daß es einen Erbschein gemäß dem Antrag der Beteiligten zu 1 erteilen werde. Die Mutter der Beteiligten zu 2 legte dagegen Beschwerde ein und beantragte vorsorglich, den Erbschein einzuziehen, falls er schon erteilt sei. Das Landgericht Deggendorf hat das Rechtsmittel durch Beschluß vom 29.1.1987 zurückgewiesen. Daraufhin hat das Nachlaßgericht am 10.3.1987 die Erteilung des Erbscheins angeordnet. Danach legte die Beschwerdeführerin gegen den Beschluß des Landgerichts weitere Beschwerde ein. Das Bayer. Oberste Landesgericht hat mit Beschluß vom 11.9.1987 den Beschluß des Landgerichts aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Die Beschwerdeführerin beantragte erneut, den erteilten Erbschein einzuziehen. Das Landgericht hat weitere Beweise erhoben und am 30.12.1988 auf die „Beschwerde der Beteiligten zu 2” beschlossen, daß der am 10.3.1987 erteilte Erbschein eingezogen werde. Bereits am 10.11.1988 war die Beschwerdeführerin (damalige Beteiligte zu 2) verstorben und von ihrer Tochter, der jetzigen Beteiligten zu 2, allein beerbt worden. Gegen den Beschluß des Landgerichts vom 30.12.1988 richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1, mit der sie beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen. Die Beteiligte zu 2 hat beantragt, die weitere Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die weitere Beschwerde ist zulässig. Die Rechtsmittelführerin darf damit das Ziel verfolgen, daß der Beschluß des Landgerichts, durch den die Einziehung des Erbscheins angeordnet wurde, aufgehoben wird. Sie muß ihr Rechtsmittel nicht darauf richten, daß das Nachlaßgericht angewiesen werde, ihr einen Erbschein mit dem Inhalt zu erteilen, der sie, wie der vom Nachlaßgericht bereits bewilligte, als Alleinerbin ausweist; denn der Erbschein ist von der Beteiligten zu 1 weder zurückgegeben noch gemäß § 2361 Abs. 2 Satz 1 BGB für kraftlos erklärt worden (BGHZ 40, 54/56; BayObLGZ 1980, 72/73; BayObLG FamRZ 1989, 550/551; Palandt/Edenhofer BGB 50. Aufl. § 2361 Rn. 14).
2. Das Landgericht hat ausgeführt: Der von der Beschwerdeführerin gestellte Antrag, den Vorbescheid aufzuheben, sei als Antrag auf Einziehung des Erbscheins aufzufassen. Ein Erbschein sei zu erteilen, wenn das Gericht die erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachte. Einzuziehen sei er, wenn sich ergebe, daß er unrichtig sei. Der erteilte Erbschein sei einzuziehen, da nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen sei, daß das dem Erbschein zugrundeliegende Testament vom Erblasser stamme. Die Feststellungslast tra...