Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbscheinseinziehung. Testierfähigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Störung der Geistestätigkeit bildet die Ausnahme, so dass der Erblasser so lange als testierfähig anzusehen ist, als nicht das Gegenteil feststeht.

2. Wegen versäumter Anfechtungsfrist darf eine Testamentsanfechtung nur dann für unwirksam gehalten werden, wenn der Anfechtungsgrund (§ 2078 oder § 2079 BGB) klargestellt ist.

 

Normenkette

BGB § 2078 Abs. 1, § 2229 Abs. 4, §§ 2232, 2361

 

Verfahrensgang

LG Würzburg (Beschluss vom 28.12.1989; Aktenzeichen 3 T 2719/89)

AG Gemünden am Main (Aktenzeichen VI 196/83)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluß des Landgerichts Würzburg vom 28. Dezember 1989 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 550.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Der kinderlos gebliebene und verwitwete Erblasser hat im 82. Lebensjahr am 14.12.1982 zu notarieller Urkunde ein Testament errichtet und ist am 4.2.1983 verstorben. In seinem Testament hat er den Beteiligten zu 1 zum Alleinerben eingesetzt und Vermächtnisse angeordnet, eines davon zugunsten der Beteiligten zu 2. Diese ist im Testament als Nichte bezeichnet. Sie trug denselben Geburtsnamen wie die verstorbene erste Ehefrau des Erblassers,

Das Nachlaßgericht erteilte am 9. Mai 1983 einen auf Antrag des Beteiligten zu 1 am 6.5.1983 ausgestellten Alleinerbschein. Am 6.2.1989 wandte sich die Beteiligte zu 2 an das Nachlaßgericht und erklärte, sie wolle die Einziehung des Erbscheins wegen Testierunfähigkeit beantragen und das Testament anfechten. Schließlich erklärte die Beteiligte zu 2 am 17.10.1989 zur Niederschrift des Amtsgerichts Frankfurt am Main, daß sie sich an das Nachlaßgericht wende, um vorzutragen, die Testamentsanfechtungsfrist sei noch nicht abgelaufen, weil sie von der Möglichkeit, eine letztwillige Verfügung anzufechten, erst im Februar 1989 von der Rechtsberatungsstelle des Amtsgerichts erfahren habe. Sie focht das Testament an, weil der Erblasser im Dezember 1982 erklärt habe, er hätte ihr und ihrem Ehemann „alles vermacht”, und weil der Erblasser nicht mehr habe überblicken können, was er gemacht habe, infolge Krankheit dazu auch nicht mehr in der Lage gewesen sei.

Das Nachlaßgericht hat durch Beschluß vom 16.11.1989 die Anfechtung vom 17.10.1989 zurückgewiesen, weil die Anfechtungsfrist abgelaufen gewesen sei. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 hat das Landgericht durch Beschluß vom 28.12.1989 zurückgewiesen und den Geschäftswert auf 550.000 DM festgesetzt. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Die Anfechtung des Testaments hätte binnen Jahresfrist erfolgen können, weil die Beteiligte zu 1 als Vermächtnisnehmerin eine Kopie des Testaments schon im April 1983 erhalten habe und daher den Inhalt des Testaments kannte. Damit habe die Anfechtungsfrist zu laufen begonnen, auch wenn die Beteiligte zu 1 nicht gewußt habe, daß sie ihr Gestaltungsrecht durch eine Erklärung an das Nachlaßgericht geltend machen müsse. Sie hätte die nötige Beratung in Anspruch nehmen müssen. Es seien auch keine Anhaltspunkte dafür gegeben, daß der Erblasser testierunfähig gewesen sei. Es sei nichts dargetan, was Zweifel an der Testierfähigkeit wecken könne. Selbst Zweifel allein würden nicht genügen, weil derjenige, der sich auf die Testierunfähigkeit beruft, die volle materielle Beweislast für seine Behauptung tragen müsse.

2. Diese Ausführungen sind zwar nicht völlig frei von Rechtsfehlern, auf denen die Entscheidung beruht (§ 27 FGG, § 550 ZPO), jedoch erweist sich die Entscheidung des Landgerichts aus anderen Gründen als richtig (§ 27 Satz 2 FGG, § 563 ZPO).

a) Zutreffend ist das Landgericht stillschweigend davon ausgegangen, daß die Beschwerde zulässig ist.

aa) Der Beschluß des Amtsgerichts ist beschwerdefähig (§ 19 Abs. 1 FGG). Das Amtsgericht hat ausdrücklich in der Beschlußformel nur die Anfechtung des Testaments zurückgewiesen, weil es die Anfechtungsfrist des § 2082 Abs. 1 BGB für versäumt gehalten hat. Damit hat das Amtsgericht verkannt, daß es eine Anfechtungserklärung zunächst lediglich zu den Akten zu nehmen (Palandt/Edenhofer BGB 49. Aufl. § 2081 Anm. 1 b) und deren Wirkung, nämlich die Nichtigkeit des Testaments gemäß § 142 Abs. 1 BGB (Palandt/Edenhofer aaO Anm. 2) nur zu prüfen hat, wenn dies für ein Verfahren vor dem Nachlaßgericht von Bedeutung ist (Palandt/Edenhofer aaO Anm. 1 b). Wenn ein Erbschein, wie hier geschehen, bereits erteilt ist, muß von Amts wegen über die Einziehung gemäß § 2361 Abs. 1 BGB entschieden werden (KG NJW 1963, 766/767; Palandt/Edenhofer aaO). Dem Beschluß des Amtsgerichts ist zu entnehmen, mindestens im Wege der Auslegung, daß es mit seiner Entscheidung über die Anfechtung nicht nur beiläufig die Einziehung des Erbscheins abgelehnt hat.

bb) Es fehlte auch nicht die Beschwerdeberechtigung (§ 20 Abs. 1 FGG). Diese setzt ...

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