Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbscheinsverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Frage, ob die Voraussetzungen einer Testierunfähigkeit gegeben sind, liegt im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet (BayObLGZ aaO, ständige Rechtsprechung). Vom Gericht der weiteren Beschwerde kann die Tatsachenwürdigung des Landgerichts nur dahin überprüft werden, ob der Tatrichter den maßgebenden Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG), bei der Erörterung des Beweisstoffs alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (§ 25 FGG) und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln oder die Denkgesetze und feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat, ferner, ob die Beweisanforderungen zu hoch oder zu niedrig angesetzt worden sind.

2. Testierunfähigkeit der Erblasserin ist nicht anzunehmen, weil das Vormundschaftsgericht mehr als 16 Monate später für sie eine Gebrechlichkeitspflegschaft wegen „zerebrovaskulärer Insuffizienz” angeordnet hatte.

3. Die Anfechtungserklärung im Sinn von § 2081 Abs. 1 BGB erfordert zwar nicht die Angabe eines Anfechtungsgrundes (BayObLGZ 1962, 47/52; Palandt/Edenhofer § 2081 Anm. 1), jedoch die eindeutige Kundgabe eines Anfechtungswillens. Insoweit gelten die gleichen Grundsätze, die für die Anfechtungserklärung im Sinn des § 143 Abs. 1 BGB maßgebend sind, denn die Anfechtung einer Verfügung des Erblassers (§§ 2078 ff.) fußt auf den Grundsätzen der Anfechtung unter Lebenden, wie sie im allgemeinen Teil des BGB (§ 119 ff.) aufgestellt sind.

 

Normenkette

BGB § 2078 Abs. 2, §§ 2081, 2229 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 06.06.1988; Aktenzeichen 13 T 273/88)

AG Hersbruck (Aktenzeichen VI 1100/86)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 6. Juni 1988 wird zurückgewiesen.

II. Der Beteiligte zu 1 hat die den Beteiligten zu 2 und 3 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen notwendigen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 33.354,13 DM festgesetzt. Der Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 6. Juni 1988 wird in Nr. III dahin abgeändert, daß der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens auf 33.354,13 DM festgesetzt wird.

 

Tatbestand

I.

Die Erblasserin ist … 1986 im 80. Lebensjahr verstorben. Seit 22.8.1986 hatte für sie eine Gebrechlichkeitspflegschaft bestanden. Der Beteiligte zu 1 ist der zweite Ehemann der Erblasserin, der Beteiligte zu 3 ist aus dieser Ehe hervorgegangen. Aus der ersten Ehe der Erblasserin mit dem im Jahr 1938 verstorbenen E.P. stammt der Beteiligte zu 2. Weitere Abkömmlinge hatte die Erblasserin nicht.

Vom 29.3. bis 28.6.1985 hatte sich die Erblasserin bei ihren Söhnen aufgehalten und während dieser Zeit ein handschriftliches Testament errichtet. Es beruht auf einem Entwurf des nunmehrigen Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2 und 3, Rechtsanwalt D., und wurde von ihm verwahrt, bis es nach dem Tod der Erblasserin dem Nachlaßgericht übergeben wurde. Das Testament lautet:

Testament

Ich … verfüge hiermit folgendes:

Im Falle meines Todes sollen meine beiden Söhne,…

… meine alleinige Erben jennals zu gleichen Anteilen sein. Mein Ehemann soll mich nicht beerben.

Ich entziehe ihm hiermit auch den Pflichtteil, da er mich in erheblicher Weise vorsätzlich Seelisch mißhandelt hat und die mir gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht böswillig verletzt hat, Insbesondere hat er mir keinerlei Unterhalt bezahlt, hat gemirschaftlichi Mieteinkünfte vereinnahtmt und mich von der Verfügung über diese Einkünfte ausgeschlossen.

05.04.1985

Das Testament ist in der Nachlaß Verhandlung vom 11.12.1986 in Anwesenheit aller Beteiligten eröffnet worden. Die Beteiligten zu 2 und 3 haben einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragt, der sie auf Grund des Testaments als Miterben je zur Hälfte ausweisen sollte. Der Beteiligte zu 1 hat geltend gemacht, die Erblasserin sei testierunfähig gewesen, und hat einen Erbschein beantragt, wonach sie kraft Gesetzes von ihrem Ehemann zu ein Halb und von den beiden Söhnen zu je ein Viertel beerbt worden sei. Das Nachlaßgericht hat die die Erblasserin betreffenden Pflegschaftsakten beigezogen und zur Frage ihrer Testierfähigkeit schriftliche Äußerungen ihres Hausarztes sowie jener Ärzte eingeholt, welche die Erblasserin während zweier Krankenhausaufenthalte in der Zeit vom 15.10. bis 18.11.1984 und vom 28.8. bis 20.9.1985 behandelt hatten. Ferner hat das Nachlaßgericht ein nervenärztliches Gutachten eingeholt, welches von einem Stationsarzt des Bezirkskrankenhauses … ausgearbeitet und von dem ärztlichen Direktor dieses Fachkrankenhauses für Psychiatrie mitunterzeichnet worden ist. Durch Beschluß vom 7.12.1987 hat das Nachlaßgericht den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen und im Weg des Vorbescheids die Erteilung eines Erbscheins entsprechend dem Antrag der Beteiligten zu 2 und 3 angekündigt. Hiergegen hat der Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt. Er hat erneut vorgetragen, die Erblasserin sei im Zeitpunkt der Testaments...

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