Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbscheinsverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

Gemäß § 2254 BGB kann der Erblasser ein Testament dadurch widerrufen, daß er seinen Willen, die frühere letztwillige Verfügung außer kraft zu setzen, in einem späteren Testament erklärt. Hierfür genügt es, wenn die Widerrufsabsicht dem Testament im Weg der Auslegung entnommen werden kann.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 2254, 2258

 

Verfahrensgang

LG München II (Beschluss vom 11.07.1988; Aktenzeichen 8 T 73/88)

AG Ebersberg (Aktenzeichen VI 259/87)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts München II vom 11. Juli 1988 wird zurückgewiesen.

II. Der Beteiligte zu 1 hat die den Beteiligten zu 2 und 3 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen notwendigen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 648.452 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Erblasserin ist im 90. Lebensjahr verstorben. Seit 25.2.1986 hatte für sie eine Gebrechlichkeitspflegschaft zur Besorgung der Vermögensangelegenheiten bestanden. Die Erblasserin war ledig und hatte keine Kinder. Alle ihre Geschwister sind vor ihr verstorben. Bis zum Januar 1986 lebte sie zusammen mit einer Schwester in einem Haus, das beiden gemeinsam gehörte. Nach dem Tod ihrer Schwester im Januar 1986 übersiedelte die Erblasserin nach kurzem Aufenthalt in einem Pflegeheim zu den Beteiligten zu 2 und 3. Die Beteiligte zu 2 ist eine Urenkelin der Großmutter der Erblasserin und die Mutter des Beteiligten zu 3. Der Beteiligte zu 1 ist ein Enkel des Großvaters der Erblasserin. Seine Mutter ist verstorben; er hat lediglich einen Bruder.

Das Nachlaßgericht hat folgende letztwillige Verfügungen der Erblasserin eröffnet:

Ein handgeschriebenes und von der Erblasserin unterzeichnetes Testament vom 1.4.1986, welches wie folgt lautet:

Testament

Ich … bestimme A (= Beteiligter zu 3) … zu meinem Erben.

Vermächtnis

Aus meinem Nachlaß soll das Kapuzinerkloster … das Haus … erhalten.

Auflage

Mein Erbe ist verpflichtet unser Familiengrab zu pflegen und einen Jahresgottesdienst lesen zu lassen.

Ein weiteres handschriftliches Testament vom 21.7.1986 lautet wie folgt:

Testament.

Ich … bestimme meine Cousine (= Bet. zu 2) … und ihren Sohn (= Beteiligter zu 3) … zu meinen Erben. Meine Erben sind verpflichtet unser Grab zu pflegen und hl. Messen lesen zu lassen.

… (= Name der Erblasserin)

Auf der Rückseite dieser Testamentsurkunde hat die Erblasserin mit der Hand geschrieben:

Nachtrag:

Ich hebe hiermit alle früheren letztwilligen Verfügungen auf. … 10.1.1987

… (= Name der Erblasserin)

Die Beteiligten zu 2 und 3 haben einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragt, der sie auf Grund des Testaments vom 21.7.1986 als Miterben je zur Hälfte ausweisen sollte. Der Beteiligte zu 1 hat eingewendet, auf Grund des Nachtrags vom 10.1.1987 seien alle Testamente aufgehoben worden, so daß gesetzliche Erbfolge eingetreten sei.

Das Nachlaßgericht hat eine schriftliche Stellungnahme des ehemaligen Verfahrensbevollmächtigten der Erblasserin über das Zustandekommen des Nachtrags vom 10.1.1987 eingeholt. Der Beteiligte zu 3 hat ein nervenärztliches Gutachten vom 23.10.1986 des Prof. B. … vorgelegt. Dieser hat auf Grund seiner Untersuchungen vom 22.7. und 7.8.1986 die Testierfähigkeit der Erblasserin für die Zeit der Errichtung des Testaments vom 1.4.1986 bestätigt. Dieses Gutachten ist von Rechtsanwalt C. auf Wunsch der Erblasserin in Auftrag gegeben worden.

Durch Beschluß vom 5.10.1987 hat das Nachlaßgericht „unter Zurückweisung der Einwendungen” des Beteiligten zu 1 einen Erbschein bewilligt, der die Beteiligten zu 2 und 3 auf Grund des Testaments vom 21.7.1986 als Erben je zur Hälfte ausweist. Eine Ausfertigung des gemeinschaftlichen Erbscheins wurde dem Beteiligten zu 3 übersandt. Gegen den Beschluß vom 5.10.1987 hat der Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Landgericht vorgelegt. Das Landgericht hat die Beschwerde durch Beschluß vom 11.7.1988 zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die zu Protokoll der Geschäftsstelle des Bayerischen Obersten Landesgerichts eingelegte weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1. Er beantragt, die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben. Die Beteiligten zu 2 und 3 beantragen, die weitere Beschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die weitere Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

2. Das Landgericht hat ausgeführt:

Mit dem Ziel der Einziehung des erteilten Erbscheins sei die Beschwerde zulässig. Das Nachlaßgericht habe den Beteiligten zu 2 und 3 den Erbschein auf Grund des Testaments vom 21.7.1986 zu Recht erteilt. Dieses Testament sei durch die letztwillige Verfügung vom 10.1.1987 nachträglich ergänzt worden, im übrigen jedoch wirksam geblieben. Die Angriffe des Beteiligten zu 1 gegen die Testamentsauslegung des Nachlaßgerichts griffen nicht durch. Bei der Auslegung der letztwilligen Verfügung seien alle zur Erforschung des wahren Erblasserwillens diene...

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