Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbscheinsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Erbscheinsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist eine mündliche Verhandlung grundsätzlich nicht vorgeschrieben. Das Verfahren kann auch schriftlich geführt werden. Ob eine mündliche Verhandlung abgehalten wird, entscheidet das Gericht nach seinem pflichtgemäßen Ermessen.
2. Ob die Beweiserhebung durch formlose Ermittlungen im Weg des sogenannten Freibeweises erfolgt oder ob förmlicher Beweis durch Sachverständige gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 FGG, §§ 402 ff. ZPO erhoben wird (Strengbeweis), ist im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich dem pflichtgemäßen Ermessen der Tatsachengerichte überlassen. Formlose Ermittlungen können in jeder möglichen Form und Art. vorgenommen werden, unter anderem auch durch Beiziehung von Akten und Einsichtnahme in darin befindliche Urkunden.
3. Beweisfragen bei Testierunfähigkeit.
Normenkette
FGG § 15 Abs. 1; ZPO § 402; BGB § 2229
Verfahrensgang
AG Nürnberg (Beschluss vom 30.05.1988; Aktenzeichen VI 1629/87) |
LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 13 T 2262/88) |
Tenor
I. Die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 2 und 3 gegen den Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 30. Mai 1988 werden zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten zu 2 und 3 haben die der Beteiligten zu 1 im Verfahren der weiteren Beschwerden entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerden wird auf 480.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die verwitwete Erblasserin starb im 87. Lebensjahr. Sie hatte einen Sohn und eine Tochter, die beide vorverstorben sind. Die Beteiligten zu 1 bis 3 sind die Enkelinnen der Erblasserin. Seit dem 2.12.1985 hatte für die Erblasserin Gebrechlichkeitspflegschaft bestanden.
Am 2.10.1978 errichtete die Erblasserin ein handschriftliches Testament. Es lautet wie folgt:
Letztwillige Verfügung
Ich, …
voll geschäfts- und testierfähig, bestimte hiermit, letztwillig folgendes:
1) Hiermit widerrufe ich alle bisher getroffenen letztwilligen Verfügungen oder solche, die als letztwillige Verfügungen oder solche, die als letztwillige Verfügung aufgefaßt werden könten.
2) Mein Sohn
ist bereits zu Lebzeiten von mir abgefunden und kann keinerlei Erbansprüche mehr stellen.
Im übrigen wäre er sowieso nur auf den Pflichtteil gesetzt.
3) Zu meinen alleinigen und ausschließlichen Erben setze ich meine Enkeltochter … (= Bet. zu 1) … ein.
Sie hat das von Ihr vermachte Vermögen so anzulegen, daß es im Falle des Scheiterns Ihrer Ehe nicht in den Zugewinn fällt.
Somit mache ich zur Auflage, daß das gesamte Vermögen, welches sie von mir als Erblasserin erhält, vom Zugewinn ausgeschlossen bleibt.
Sie hat folgende Vermächtnisse zu erfüllen:
Sie muß an Ihre beiden Schwestern … (= Bet. zu 2 und 3) … je einen Betrag von 25.000-D.M. ausbezahlen. Dieser Betrag ist spätestens innerhalb einer Frist von 5 Jahren nach Eintritt des Erbfalles an diese lastenfrei zu überweisen.
Es steht Ihr frei, diesen Betrag mit dem gesetzlichen Zinssatz von 4 % ab dem Zeitpunkt zu verzinsen. Einen Rechtsanspruch sollen die Vermächtnisnehmer nicht haben. Weiterhin soll … erhalten:
…
Am 23.11.1978 und 3.1.1979 hatte die Erblasserin zwei weitere handschriftliche Testamente errichtet. Diese sind zerrissen und mit Klebstreifen zusammengesetzt. Sie enthalten, nahezu wörtlich Übereinstimmend mit dem Testament vom 2.10.1978, jeweils einen Widerruf aller bisher getroffenen letztwilligen Verfügungen, die Einsetzung der Beteiligten zu 1 zur alleinigen und ausschließlichen Erbin, außerdem Zuwendungen von jeweils 25.000 DM an die Beteiligten zu 2 und 3. Abweichende Anordnungen bestehen lediglich über die Verzinsung der Vermächtnisse sowie zur Zuwendung eines Diamantringes an die Beteiligte zu 3. Diese beiden Testamente hatte die Erblasserin zunächst bei ihrem Rechtsanwalt hinterlegt, unter dem 30.11.1982 jedoch zurückerhalten mit dem Hinweis, sie könne die Testamente auch selbst aufbewahren oder vernichten, wenn gesetzliche Erbfolge eintreten solle. Im Jahr 1983 hat die Erblasserin diese beiden Testamente in Gegenwart der Mutter der Beteiligten zu 1 bis 3 zerrissen und dieser die Stücke übergeben.
Am 4.12.1986 errichtete die Erblasserin ein weiteres handschriftliches Testament. Es ist mit unregelmäßigen, versetzten Buchstaben geschrieben und lautet wie folgt:
Meiner, Wunsch ist das meine 3 Engel… (= Bet. zu 1–3) mein Vermögen in 3 Teile geteilt wird.
Zum Nachlaß gehören ein Wohnhaus sowie Sparguthaben. Der Gesamtwert beträgt rund 800.000 DM.
Gestützt auf das Testament vom 2.10.1978 beantragte die Beteiligte zu 1 einen Erbschein als Alleinerbin. Die Beteiligten zu 2 und 3 beantragten einen Erbschein, demzufolge die Erblasserin von den Beteiligten zu 1 bis 3 je zu einem Drittel beerbt worden sei, entweder auf Grund des Testaments vom 4.12.1986 oder, falls dieses unwirksam sei, auf Grund gesetzlicher Erbfolge. Diesem Antrag ist die Beteiligte zu 1 entgegengetreten. Sie hat behauptet, die Erblasserin sei zur Zeit der Errichtung des Testaments...