Leitsatz (amtlich)
1. Wirksame Verweisung an ein AG in Berlin trotz unzutreffender Bezeichnung als „AG Berlin”, wenn sich das gemeinte zuständige AG in Berlin leicht und eindeutig durch Auslegung ermitteln lässt.
2. Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses, wenn das verweisende Gericht im Hinblick auf den durch Handelsregisterauszug belegten satzungsmäßigen Sitz der beklagten GmbH im Bezirk eines anderen Gerichts seine Zuständigkeit verneint, obgleich die Klage am Ort des verweisenden Gerichts zugestellt wurde.
Normenkette
ZPO §§ 17, 36 Abs. 1 Nr. 6
Verfahrensgang
AG Berlin-Lichtenberg (Aktenzeichen 7 C 91/02) |
AG Schweinfurt (Aktenzeichen 2 C 1386/01) |
Tenor
Zuständig ist das AG Lichtenberg.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte eine Werklohnforderung über damals rund 8.522 DM aus Dachdeckerarbeiten an einem Bauvorhaben in Berlin geltend. Sie gab im Mahnverfahren eine Adresse der Beklagten in Schweinfurt und als Prozessgericht, an das im Falle des Widerspruchs das Verfahren abgegeben werden soll, das LG Schweinfurt an. Der erste Versuch, den Mahnbescheid unter dieser Anschrift zuzustellen, scheiterte. Daraufhin gab die Klägerin eine Adresse der Beklagten in Würzburg an. Auch unter dieser Anschrift schlug der Zustellungsversuch fehl. Ein erneuter Zustellungsversuch unter der Schweinfurter Adresse war am 1.6.2001 erfolgreich. Nach Widerspruch gegen den Mahnbescheid wurde der Rechtsstreit vom Mahngericht an das LG Schweinfurt abgegeben und von dort wegen sachlicher Unzuständigkeit des LG antragsgemäß an das AG Schweinfurt verwiesen. Die Anspruchsbegründung wurde der Beklagten unter der Schweinfurter Adresse im Oktober 2001 durch Übergabe an die Geschäftsführerin der Beklagten zugestellt. Mit Schreiben vom 28.10.2001 beantragte die Beklagte auf ihrem Geschäftsbrief mit Berliner Adresse die Verweisung des Rechtsstreits „an das AG Berlin”, da sie dort ihren Sitz habe. Beigefügt war eine Gewerbeanmeldung in Berlin vom 26.5.2000 sowie ein Handelsregisterauszug des AG Charlottenburg; aus diesem ergibt sich die Eintragung der Beklagten am 11.5.2000 mit Sitz Berlin aufgrund Beschlusses der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 29.11.1999 über die Sitzverlegung von Würzburg nach Berlin. Nunmehr beantragte die Klägerin ihrerseits Verweisung des Rechtsstreits „an das örtlich zuständige AG Berlin”.
Mit Beschluss vom 19.11.2001, der den Parteien mitgeteilt wurde, erklärte sich das AG Schweinfurt für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit „an das AG Berlin”. In Berlin sind mehrere AG errichtet. Die Akten gingen beim – für die Anschrift der Beklagten nicht zuständigen – AG Schöneberg ein, das die Akten in der Annahme, für diese Anschrift sei das AG Mitte zuständig, an dieses AG weiterleitete. Das AG Mitte schickte die Akten dem AG Schöneberg mit dem Hinweis zurück, dass die Anschrift der Beklagten zum Bezirk des AG Lichtenberg gehört. Das AG Lichtenberg lehnte die Übernahme ab, da ein Verweisungsantrag an das AG Lichtenberg nicht gestellt sei, eine Berliner Zuständigkeit aus § 29 ZPO auch am für den Ort des Bauwerks zuständigen AG Pankow/Weißensee bestehe und eine Zuständigkeit beim AG Schweinfurt als Ort der Klagezustellung und damit Sitz der Beklagten gegeben und nach § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO verfestigt sei. Gemäß richterlicher Verfügung wurden die Akten dem – in jedem Fall unzuständigen – AG Schöneberg zurückgesandt. Dieses sandte die Akten mit Schilderung des Verfahrensablaufs und Ausführungen zur möglichen Zuständigkeit der AG Schweinfurt, Lichtenberg und Pankow/Weißensee an das AG Schweinfurt zurück mit der Anregung, falls der Verweisungsbeschluss nicht aufgehoben werde, diesen um das entspr. AG zu ergänzen und die Akten dorthin zu schicken.
Mit Beschluss vom 9.4.2002 berichtigte das AG Schweinfurt den Verweisungsbeschluss vom 19.11.2001 dahin, dass hinter das Wort „Berlin” der Text „-Lichtenberg” tritt. Der Beschluss ist damit begründet, dass von beiden Parteien Verweisung an das AG Berlin wegen des dortigen Sitzes der Beklagten beantragt wurde. Die Verweisung betreffe dasjenige AG in Berlin, in dessen Bezirk die Beklagte ihren Sitz habe, also das AG Lichtenberg. In der richterlichen Zuleitungsverfügung an das AG Lichtenberg ist ferner ausgeführt, dass der Sitz der Beklagten seit 1999 in Berlin sei, was zwischen den Parteien unstreitig und durch die Eintragung im Handelsregister belegt sei. Eine Zuständigkeit des AG Schweinfurt könne nicht daraus hergeleitet werden, dass in den Räumlichkeiten eines anderen Unternehmens der Familie Z. in Schweinfurt eine an die Beklagte adressierte Zustellung entgegengenommen worden sei.
Mit Beschluss vom 21.5.2002 lehnte das AG Lichtenberg die Übernahme ab und verfügte Rücksendung der Akten an das AG Schweinfurt. Die Akten wurden aber nicht dem AG Schweinfurt, sondern dem AG Schöneberg zugeleitet und von dort nach erneuter richterlicher Befassung mit der Angelegenheit an das AG Schweinfurt weitergeschickt. Dieses verfügte am 4.7.2002 die Rückleitung der Akten an d...