Leitsatz (amtlich)
Die Bestimmung des § 906 BGB ist zwar im Verhältnis von Wohnungseigentümern zueinander nicht direkt anwendbar. Sie kann aber für die Beurteilung wesentliche Anhaltspunkte geben, ob durch den Gebrauch einem anderen Wohnungseigentümer ein über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehender Nachteil erwächst.
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 14.06.2004; Aktenzeichen 1 T 6737/04) |
AG München (Beschluss vom 12.03.2004; Aktenzeichen 481 UR II 1382/03) |
Tenor
I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des LG München I vom 14.6.2004 aufgehoben und die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG München vom 12.3.2004 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass im Verfahren des ersten Rechtszugs eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht stattfindet.
II. Der Antragsgegner trägt die Gerichtskosten des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Geschäftswert für das Beschwerde- und das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 4.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Anlage, die im wesentlichen aus zwei Einfamilienhäusern besteht, zwischen denen sich ein ca. 1,80 m breiter, mit einer Holz-Glaskonstruktion überdachter Durchgang befindet. In der Teilungserklärung ist bestimmt, dass dem jeweiligen Eigentümer eines Wohnungs- bzw. Teileigentums das Sondernutzungsrecht an den Gebäuden und Gebäudeteilen auf den jeweiligen Sondernutzungsflächen einschließlich u.a. der Außenwände zusteht. Ferner ist dort festgehalten, dass die einzelnen Sondereigentumseinheiten samt Sondernutzungsrechten, soweit gesetzlich zulässig, als selbständige Einheiten anzusehen und zu behandeln sind, als ob es sich je um entsprechendes Alleineigentum handeln würde. Zu baulichen Veränderungen auf der jeweiligen Sondernutzungsfläche bedarf es nach Nr. III der Teilungserklärung nicht der Zustimmung des jeweiligen Berechtigten der anderen Sondernutzungsfläche.
Im September 2002 brachte der Antragsgegner in der dem Durchgang zugewandten Mauer eine ca. 10 × 10 cm große, mit einem Gitter versehene Öffnung für einen Dunstabzug an.
Die Antragstellerin hat bei dem AG beantragt, dem Antragsgegner zu verbieten, die Außenentlüftung zu benutzen. Das AG hat dem Antrag durch Beschluss vom 12.3.2004 stattgegeben. Dagegen hat das LG auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners am 14.6.2004 den Antrag unter Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung abgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin.
II. Das zulässige Rechtsmittel ist begründet.
1. Das LG hat ausgeführt:
§ 22 WEG sei in der Teilungserklärung in zulässiger Weise abbedungen. Dies habe zur Folge, dass die Zulässigkeit baulicher Maßnahmen nur nach allgemeinen bau- und nachbarrechtlichen Vorschriften zu beurteilen sei. Die Antragstellerin habe keinen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung des Dunstabzugs nach § 1004 Abs. 1 BGB, da ihr Sondereigentum dadurch allenfalls unwesentlich beeinträchtigt werde (§ 906 Abs. 1 S. 1 BGB). Es handele sich um eine in Privathaushalten gebräuchliche Anlage, die nur in üblichem Ausmaß benutzt werde. Der überdachte Zugang sei zur Straßenseite hin bis zu einer Höhe von etwa 2m offen und verfüge auch im Bereich des Giebels und zum Garten hin über eine Be- und Entlüftung. Eine Belästigung der Bewohner des Anwesens der Antragstellerin sei auch deshalb weitgehend ausgeschlossen, weil das Gebäude im Durchgangsbereich keine Fenster, sondern lediglich die Eingangstüre aufweise. Eine nennenswerte Beeinträchtigung durch Fettablagerungen sei wegen der geringen Dimension des Auslasses ebenfalls kaum denkbar, zumal die Dunstabzugshaube in der Küche des Antragsgegners über einen Fettfilter verfüge. Selbst wenn - wie die Antragstellerin meine - wegen der Zuführung der Abluft in den gemeinschaftlichen Durchgang insoweit § 14 Nr. 1 WEG anwendbar wäre, bestünde kein Unterlassungsanspruch. Denn das Ausleiten der Abluft in den Durchgang stelle keinen Nachteil dar, der über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehe.
2. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Zutreffend geht das LG zunächst davon aus, dass hinsichtlich der Öffnung der Hausmauer zur Anbringung der Entlüftungsanlage § 22 Abs. 1 WEG nicht anwendbar ist, da diese Regelung insoweit durch die Teilungserklärung abbedungen wurde. Dies ist rechtlich zulässig und führt dazu, dass für einen Anspruch auf Beseitigung nicht die § 22 Abs. 1, § 15 Abs. 3, § 14 Nr. 1 WEG maßgebend sind, sondern die allgemeinen nachbarrechtlichen Vorschriften des Privatrechts und des öffentlichen Rechts, die entsprechend anwendbar sind (BayObLG ZMR 2000, 234 [236]; BayObLGZ 2001, 41 [45]).
Dementsprechend begehrt die Antragstellerin hier auch nicht die Beseitigung der Öffnung, sondern die Unterlassung der Nutzung des Dunstabzugs.
b) Unzutreffend hat das Beschwerdegericht jed...