Leitsatz (amtlich)
›Bei dem gegen einen Richter von einem Verfahrensbeteiligten erhobenen Vorwurf der Rechtsbeugung handelt es sich jedenfalls dann nicht nur um eine selbständig zu beurteilende Tatsachenbehauptung, wenn er lediglich als Teil einer Argumentationskette der Begründung einer (komplexen) Meinungsäußerung zur Durchsetzung einer Rechtsposition dient.‹
Tatbestand
Der Angeklagte, der Rechtsanwalt ist, vertrat in einem beim Landgericht anhängigen Zivilverfahren die beiden Beklagten, bei denen es sich um seine Kinder handelte. Nachdem er den bestellten Einzelrichter, Richter am Landgericht B., wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und die zuständige Zivilkammer dieses Gesuch am 24.3.1998 für unbegründet erklärt hatte, trug er mit einem Schriftsatz vom 1.4.1998 dem Landgericht nochmals seine Bedenken gegen den Richter vor. Darin beklagte er sich nicht nur, "so (werde) mit der Ehre eines Anwalts umgegangen", sondern äußerte auch mit Bezug auf ein 1997 ebenfalls beim Landgericht anhängiges Zivilverfahren, in dem er von einer früheren Mandantin auf Auskehrung von Mandantengeldern in Anspruch genommen worden war und in dem ihn der abgelehnte Richter, nachdem die Kammer Prozesskostenhilfe bewilligt hatte, mit Endurteil vom 12.5.1997 nach Klageantrag verurteilt hatte, über den Richter:
"... stellt es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine dienstliche, wenn nicht gar eine strafrechtlich relevante Verfehlung eines Richters dar, wenn er Prozesskostenhilfe bewilligt, in voller Kenntnis nämlich, dass eine solche nicht bewilligt werden darf. Eine klarere Rechtslage kann man sich kaum vorstellen".
Die Besorgnis der Befangenheit leitete der Angeklagte im wesentlichen zum einen daraus her, dass der Richter als früherer Staatsanwalt gegen ihn ermittelt und auch eine Durchsuchung seiner Kanzleiräume veranlasst habe, zum anderen aus dessen Mitwirkung an der PKH-Bewilligung (und wohl auch aus dem Erlass des Endurteils vom 12.5.1997). Er hielt diese Entscheidungen deshalb für falsch, weil dem Anspruch der Klägerin Honoraransprüche seinerseits entgegengestanden hätten, über die er teilweise noch nicht habe abrechnen können, die aber jedenfalls ein "Zurückbehaltungsrecht" seinerseits begründet hätten.
Seine Berufung gegen das Endurteil vom 12.5.1997 hatte das Oberlandesgericht am 23.1.1998 zurückgewiesen.
Mit einem Schriftsatz vom 13.2.1998 hatte der Angeklagte beim Amtsgericht Ka. die Bestellung eines Betreuers ("Pflegschaft") für eine frühere Mandantin, mit der er sich zerstritten hatte, beantragt; daraufhin wurde er von dieser im weg einstweiliger Verfügung beim Amtsgericht K. auf Unterlassung der Verbreitung dieses Antrags in Anspruch genommen, nachdem Abschriften an Dritte gelangt waren. Diesem Antrag gab der Richter am Amtsgericht K. mit am 21.4.1998 verkündeten Endurteil statt.
Nachdem der Richter im Rahmen der mündlichen Urteilsbegründung am 21.4.1998 darauf hingewiesen hatte, im Fall eines neuerlichen Erscheinens des "Pflegschaftsantrags" müsse daraus "nicht unbedingt darauf geschlossen werden ..., dass Rechtsanwalt S. dies nochmals weitergegeben habe", rief der Angeklagte "mit hochrotem Kopf":
"Was Sie jetzt gesagt haben, ist eigentlich eine Rechtsbeugung!"
Die Aufforderung des Richters, sich zu entschuldigen, beantwortete der Angeklagte dahin, dass er sich "nur formell entschuldige, weil das, was Sie hier gesagt haben, eine Rechtsbeugung ist".
Den schriftlichen Urteilsgründen zufolge hatte der Angeklagte als Beklagter bestritten, - dass das Betreuungsschreiben "von ihm selbst oder seiner Kanzlei direkt... versandt wurde", sich jedoch nicht zu dem Vorbringen der Klägerin geäußert, "dass er das Schreiben vom 13.2.1998 an fremde Dritte versandt hat bzw. das Schreiben neben der Übermittlung an das Amtsgericht Ka. noch auf anderem Wege die Kanzlei des Verfügungsbeklagten verlassen hat".
Am 22.4.1998 richtete der Angeklagte ein als "Vertraulich/ Persönlich" bezeichnetes Schreiben an den Richter am Amtsgericht K., in dem es einleitend heißt: "... am 21.4.1998 haben Sie gegen 15.55 Uhr erklärt, dass Ihnen voll bewusst sei, dass die von Frau B.S. beanstandeten Schreiben, die offensichtlich Fotokopien einer Abschrift sind, von einer dritten Person verschickt worden sind, nämlich einer Person, die am Verfahren 3 C... des Amtsgerichts K. nicht beteiligt ist. Damit steht fest, dass allenfalls eine dritte Person möglicherweise etwas getan hat, was nicht zulässig ist. Jedenfalls nicht der Beklagte jenes Verfahrens. Dennoch haben Sie den Unterzeichner verurteilt."
Anschließend führte der Angeklagte aus:
"Sie haben damit vorsätzlich verurteilt, obwohl Sie wissen, dass Sie dazu nicht berechtigt sind. Damit ist der dringende Verdacht der Rechtsbeugung erfüllt."
Schließlich forderte der Angeklagte den Richter noch auf, "vor Einleitung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens und zur Vermeidung desselben" eine Erklärung dahin abzugeben, dass ihm "bewusst (sei), vorsätzlich entgegen Ihrer eigenen Wahrnehmung entschie...