Leitsatz (amtlich)
›Ist eine Ehrverletzung im Rahmen einer öffentlichen, politischen Auseinandersetzung erfolgt, so ist im Rahmen der gebotenen Abwägung zwischen dem Recht auf Meinungsfreiheit und dem Schutz des Persönlichkeitsrechts des Verletzten auch das Anliegen des Gesetzgebers zu berücksichtigen, jedem Wiederaufleben nationalsozialistischen Gedankengutes zu begegnen.‹
Gründe
I. Am 18. und 19.11.2000 wurde in Winnenden bei Stuttgart der Bundesparteitag der Partei "Die Republikaner" durchgeführt. An dem Parteitag nahm der Angeklagte, der seit 1994 Mitglied dieser Partei ist, teil. Im Vorfeld des Parteitages gab es öffentliche Diskussionen, an denen sich auch der Geschädigte Dr. M. F., der V. des Zentralrats der Juden in Deutschland, beteiligte. Anlässlich dieser Diskussionen forderte Dr. F. nachhaltig zum Kampf gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus auf. Der Parteitag selbst wurde durch Gegendemonstrationen gestört. Unter dem Eindruck dieser Vorgeschichte fertigte der Angeklagte am 20.11.2000 eine Pressemeldung, die er an die örtlichen Medien versandte. In dieser Pressemeldung teilte der Angeklagte zunächst mit, dass der Kreisvorstand des Kreisverbandes K. der Partei Die Republikaner - "der einzigen demokratischen und verfassungstreuen Partei in Deutschland", die deutsche Interessen vertrete - neu gewählt und er erneut zum Kreisvorsitzenden gewählt worden sei. Im Anschluss daran führte der Angeklagte aus:
R. sieht seine Hauptaufgabe fürs erste einmal darin, den Kommunalwahlkampf vorzubereiten, die Parteifreunde in Baden-Württemberg zur Landtagswahl zu unterstützen und den Kampf gegen den Linksextremismus, gegen den linken Terror, gegen die linke Gewalt und den Meinungsterror, gegen die laufenden Verunglimpfungen und Beleidigungen der Republikaner durch die linksextremen und verfassungsfeindlichen Parteien wie "SPD- EDPDS," der grünen Schwuchtelpartei und der Schwarzfaschisten u.a., so wie gegen die falschspielenden gesteuerten Journalisten mit aller Kraft zu führen. R., der für seine militärische kurze, präzise und fundiert klaren Aussagen bekannt ist sagte, dass die Altparteien aufgrund ihrer Hetze und Verleumdungen gegen die Republikaner als die wahren Nachfolger der Nationalsozialisten und der Kommunisten anzusehen sind und dass diese Parteien längst die Grundwerte der Demokratie und die Gebote unseres Grundgesetzes über Bord geworfen haben. Ein Lehrstück politischen Terrors boten diese Parteien aus Anlass des Bundesparteitages der Republikaner in Winnenden bei Stuttgart. Schon Wochen zuvor wurden Hetzveranstaltungen abgehalten und die Gewaltanwendung gegen Rechts verherrlicht. Natürlich fehlte bei diesem Theater der "Zigeunerjude" F. auch nicht, der wieder in gewohnter weise mit tiefem Hass und voller Inbrunst sein Gift gegen die Republikaner und alles was deutsch und rechts ist, ausspritzte. R. ist stolz darauf einer Partei anzugehören, von der noch nie Gewalt und Terror ausging und die sich als die einzige demokratische und verfassungstreue Partei in Deutschland bezeichnen kann.
Das Amtsgericht hat den Angeklagten am 20.3.2001 der Beleidigung schuldig gesprochen und ihn deshalb zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 60 DM verurteilt.
Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht den Angeklagten am 27.8.2001 freigesprochen.
Das Landgericht hat in der Bezeichnung von Dr. F. als "Zigeunerjude" zwar in objektiver und subjektiver Hinsicht eine Beleidigung durch den Angeklagten gesehen. Es hat sich aber durch die höchstrichterliche Rechtsprechung, namentlich die des Bundesverfassungsgerichts und auch die des jetzt zur Entscheidung berufenen Senats, gehalten gesehen, den Angeklagten freizusprechen. Das Landgericht hat dies damit begründet, dass Dr. F. im Hinblick auf vorausgegangene Äußerungen über die Partei der Republikaner Anlass zu Kritik gegeben habe und folglich den "adäquaten, strafrechtlich daher noch nicht relevanten Gegenschlag hinnehmen" müsse. Die Äußerung des Angeklagten sei als negatives und verletzendes Werturteil über Dr. F. zu beurteilen, das noch nicht als Angriff gegen die Menschenwürde oder als Schmähkritik oder als Formalbeleidigung angesehen werden könne, so dass der Persönlichkeitsschutz des Verletzten im Rahmen der Abwägung mit dem Grundrecht des Angeklagten auf Meinungsfreiheit zurückzutreten und der beleidigende Angriff durch den Angeklagten von Dr. F. im Rahmen des Rechts zum Gegenschlag hingenommen werden müsse.
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
II. 1. Das Landgericht hat in der Verwendung des Wortes "Zigeunerjude" eine Ehrverletzung des Geschädigten, Dr. F., gesehen. Die Staatsanwaltschaft weist in der Revisionsbegründung zu Recht darauf hin, dass das Landgericht eine eindeutige Auslegung mit dem Ziel der Ermittlung des objektiven Sinns der Äußerung nicht vorgenommen hat.
a) Der Tatbestand der Beleidigung verlangt, dass der Täter durch gewollte Kundgabe der Missachtung, Geringschätzung oder Nichtachtung einen anderen rechtswidrig in seiner E...