Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschlagung der Erbschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

Gemäß § 1956 BGB kann die Versäumung der Ausschlagungsfrist in gleicher Weise wie die Erbschaftsannahme angefochten werden. Sofern die Erbschaft nur als angenommen „gilt” (§ 1943 BGB), findet diese Vorschrift in Verbindung mit §§ 119 ff. BGB auf die Versäumung der Ausschlagungsfrist mit der Maßgabe Anwendung, daß anstelle des Tatbestandsmerkmals „Willenserklärung” mit dem objektiven Erklärungswert einer Erbschaftsannahme „Versäumung der Ausschlagungsfrist” zu lesen ist. Die in der Fristversäumung liegende Annahme kann wegen Irrtums auch dann angefochten werden, wenn der als Erbe Berufene die Erbschaft in Wirklichkeit nicht hat annehmen wollen, weil er – etwa in Unkenntnis der Formbedürftigkeit der Ausschlagungserklärung – geglaubt hat, bereits wirksam ausgeschlagen zu haben.

 

Normenkette

BGB §§ 1956, 119 ff.

 

Verfahrensgang

LG München II (Beschluss vom 06.04.1993; Aktenzeichen 6 T 1824/93)

AG Wolfratshausen (Aktenzeichen VI 703/91)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts München II vom 6. April 1993 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 5.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Der Erblasser ist am 1989 an den Folgen eines Verkehrsunfalls verstorben, ohne eine letztwillige Verfügung zu hinterlassen. Als gesetzliche Erben kommen seine Witwe, die Beteiligte zu 2, und seine vier minderjährigen Kinder, die Beteiligten zu 3, in Betracht. Die Beteiligte zu 1, eine Kreditbank, hatte gegen den Erblasser einen Vollstreckungsbescheid über einen Betrag von 9.197,04 DM erwirkt und beabsichtigt, ihre Forderung gegen die Erben geltend zu machen.

Das Nachlaßgericht hat der Beteiligten zu 2 einen Fragebogen vom 28.4.1989 zugesandt, in dem diese die Frage Nr.6 „Wird die Erbschaft angenommen? Sie kann bei ges. Erbfolge innerhalb 6 Wochen ab Kenntnis des Todes, bei Vorliegen eines Testaments ab Eröffnung ausgeschlagen werden”) mit „nein” beantwortet hat. Der Fragebogen ist beim Nachlaßgericht am 30.5.1989 eingegangen.

Auf Antrag der Beteiligten zu 1 setzte das Nachlaßgericht mit Beschluß vom 8.10.1991 den Beteiligten zu 2 und 3 „als Erben des Verstorbenen” eine Frist von zwei Monaten zur Errichtung eines Inventars über den Nachlaß des Verstorbenen. Dieser Aufforderung kamen die Beteiligten zu 2 und 3 jedoch nicht nach. Nachdem die Beteiligte zu 1 mit einem beim Nachlaßgericht am 15.5.1992 eingegangenen Schriftsatz einen Erbschein beantragt hatte, demzufolge der Erblasser von den Beteiligten zu 2 und 3 beerbt worden sei, hat die Beteiligte zu 2 zu Protokoll des vom Nachlaßgericht um Rechtshilfe ersuchten Amtsgerichts Mühldorf a.Inn vom 10.7.1992 die Versäumung der Ausschlagungsfrist angefochten und erklärt, sie schlage die Erbschaft auch im Namen ihrer Kinder aus jedem Berufungsgrund aus. Das Protokoll ist dem Nachlaßgericht am 14.7.1992 zugegangen. Die Ausschlagungserklärung der Kinder ist vom Vormundschaftsgericht genehmigt worden.

Mit Beschluß vom 24.2.1993 wies der Rechtspfleger des Nachlaßgerichts den Erbscheinsantrag zurück, weil im Hinblick auf die form- und fristgerecht angefochtene Versäumung der Ausschlagungsfrist die Beteiligten zu 2 und 3 nicht Erben geworden seien. Die gegen diesen Beschluß eingelegte Beschwerde der Beteiligten zu 1 wies das Landgericht am 6.4.1993 zurück. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1. Sie beantragt, die Beschlüsse des Nachlaßgerichts und des Landgerichts aufzuheben und ihr den beantragten Erbschein zu erteilen. Den Beteiligten zu 2 und 3 ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden; sie haben sich nicht geäußert.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige weitere Beschwerde ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Aus den Angaben der Beteiligten zu 2 gegenüber dem Amtsgericht Mühldorf a.Inn ergebe sich, daß sie vom Anfall der Erbschaft und vom Berufungsgrund als gesetzliche Erbin bereits am Todestag des Erblassers Kenntnis erhalten hatte. Da ihr die Möglichkeit einer Ausschlagung und die hierfür maßgebende Frist aufgrund des Formblatts vom 28.4.1989 bekannt gewesen sei, habe diese Frist im Juni 1989 geendet mit der Folge, daß die Erbschaft als angenommen gelte. Die Beteiligten zu 2 und 3 hätten jedoch die Versäumung der Ausschlagungsfrist am 10.7.1992 wirksam angefochten, so daß die Erbschaft nunmehr ausgeschlagen sei. Erst durch die Belehrung des Rechtspflegers des Amtsgerichts Mühldorf a.Inn vom 10.7.1992 habe die Beteiligte zu 2 Kenntnis vom Anfechtungsgrund erlangt. Bis dahin habe sie keinen Anlaß zu der Annahme gehabt, sie und ihre Kinder seien Erben geworden. Sie habe in dem beim Nachlaßgericht am 30.5.1989 eingegangenen Fragebogen erklärt, daß sie die Erbschaft nicht annehme. Aus ihrer Sicht habe sich diese Erklärung als Ausschlagung darstellen müssen, denn die Formbedürftigkeit der Ausschlagung sei weitgehend unbekannt. Folgerichtig hätten die Beteiligten zu 2 und 3 auf die Au...

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