Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungswidrigkeit. Rechtsbeschwerde. Nebenfolge. Abschöpfung. Abzugsverbot. Aufwendungen. Bereicherung. Berufskraftfahrerqualifikation. Beweiswürdigung. Darstellungsmangel. Einlassung. Einnahmen. Einziehungsbetrag. Einziehungsbeteiligte. Einziehungsentscheidung. Einziehungsverfahren. Einziehungsbescheid. erlangt. Ermessen. Ersparnis. Fracht. Gegenleistung. Geldbuße. Genehmigung. Geschäft. Güterverkehr. Härte. Handlung. Kausalbeziehung. Kenntnisstand. Korrelation. Komponente. Opportunitätsprinzip. rechtswidrig. Schutzzweck. selbständig. spiegelbildlich. Staatsanwaltschaft. subjektiv. Tat. Transport. unmittelbar. Urteil. Verantwortlichkeit. verboten. Vermögensmehrung. Vermögensvorteil. Vermögenszufluss. Vorbereitung. Vorstellungsbild. Vorwerfbarkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Entscheidet das Tatgericht im selbstständigen Einziehungsverfahren nach § 29a Abs. 5 O- WiG durch Urteil, so kann die Staatsanwaltschaft hiergegen Rechtsbeschwerde entsprechend § 79 Abs. 1 Satz 1 OWiG einlegen, sofern das Urteil den im Einziehungsbescheid festgesetz- ten Einziehungsbetrag um wenigstens 600 Euro unterschreitet (Anschl. an BGH, Beschl. v. 18.06.2020 - 1 StR 95/20 = NStZ-RR 2020, 322 und OLG Karlsruhe, Beschl. v. 28.12.2020 - 2 Rb 21 Ss 699/20 bei juris).
2. Zur Bestimmung des erlangten Vorteils i.S.v. § 29a Abs. 1 OWiG sind alle Vermögenswerte heranzuziehen, die einem Tatbeteiligten aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgend- einer Phase des Tatablaufs rein gegenständlich zugeflossen sind, ohne dass es auf eine "un- mittelbare" Kausalbeziehung zwischen Tat und Bereicherung oder den Schutzzweck der Ver- botsnorm ankommt (Anschl. u.a. an OLG München, Beschl. v. 07.06.2018 - 2 Ws 115/18 B = NZWiSt 2019, 275).
3. Nach § 29a Abs. 3 Satz 1 OWiG sind Gegenleistungen oder sonstige Aufwendungen des Täters abzuziehen, sofern sie in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit der Tat und dem daraus Erlangten erbracht worden sind. Dabei hat nach § 29a Abs. 3 Satz 2 OWiG das außer Betracht zu bleiben, was willentlich und bewusst "für" die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt wird. Jedoch sind Aufwendungen, die zwar für ein verbotenes Geschäft angefallen sind, bei denen der Tatbeteiligte das Verbotene des Ge- schäfts aber lediglich fahrlässig verkannt hat, abzugsfähig (Anschl. u.a. an OLG Zweibrücken, Beschl. v. 15.08.2019 - 1 OWi 2 Ss Bs 46/19 = NStZ 2020, 427 und OLG Karlsruhe, Beschl. v. 18.3.2019 - 2 Rb 9 Ss 852/18 = NZV 2019, 539).
Normenkette
OWiG § 17 Abs. 4, § 29a Abs. 1, 3, 5, § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Abs. 3 S. 1, Abs. 5 S. 1, Abs. 6, § 80 Abs. 2 S. 1, § 87 Abs. 3 S. 2, Abs. 5; StPO §§ 261, 267 Abs. 3, §§ 301, 337, 436 Abs. 2, § 434 Abs. 3 S. 1; BGB § 817 S. 2
Tenor
I.
Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts vom 07.06.2021 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
II.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die Zentrale Bußgeldstelle im Bayer. Polizeiverwaltungsamt hat mit Einziehungsbescheid vom 08.10.2020 gegen die Einziehungsbeteiligte die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 94.900 Euro gemäß § 29a Abs. 5 OWiG angeordnet. Dem Bescheid lag die Feststellung zugrunde, dass die Einziehungsbeteiligte im Zeitraum zwischen dem 16.08.2018 und dem 08.08.2019 insgesamt 162 Fahrten im Güterverkehr durch den bei ihr angestellten Fahrer L mit drei verschiedenen Sattelzugmaschinen mit Anhänger im beladenen Zustand vornehmen ließ, obwohl der Fahrer zwar über die erforderliche Fahrerlaubnis der Klasse CE verfügte, jedoch - wegen Ablaufs zum 17.07.2018 - nicht (mehr) über den Nachweis der Qualifikation nach dem Berufskraftfahrer-Qualifikationsgesetz (BKrFQG) i.d.F. v. 14.08.2006 (künftig BKrFQG a.F.), sodass der Fahrer Ordnungswidrigkeiten nach §§ 2, 9 BKrFQG a.F. begangen habe. Bestandteil des Einziehungsbescheides ist eine Aufstellung über die von L durchgeführten 162 Fahrten jeweils mit Datum, dem amtlichen Kennzeichen der Sattelzugmaschine und den dabei von der Einziehungsbeteiligten pro Arbeitstag erzielten Vergütungen, die sich insgesamt auf 94.961,14 Euro belaufen. Zur Begründung wurde angeführt, dass nach dem geltenden Bruttoprinzip der gesamte Frachtlohn der Einziehung unterliege und Abzüge nach § 29a Abs. 3 OWiG nach Aktenlage nicht bekannt und auch nicht vorzunehmen seien. Das Verfahren gegen den Fahrer L hat die Verwaltungsbehörde mit Verfügung vom 08.10.2020 gemäß § 47 Abs. 1 OWiG eingestellt, ein Bußgeldverfahren gegen die Einziehungsbeteiligte nicht in die Wege geleitet.
Nach form- und fristgerechter Einlegung des Einspruchs durch die Einziehungsbeteiligte hat das Amtsgericht mit Urteil vom 07.06.2021 die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.500 Euro angeordnet. Gegen dieses ihr formlos am 09.06.2021 mitgeteilte Urteil hat die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 23.06.2021, bei dem ...