Leitsatz (amtlich)
›Die Ablehnung eines Beweisantrags gem. § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG setzt unter anderem voraus, dass bereits eine Beweisaufnahme über eine beweiserhebliche Tatsache stattgefunden hat. Fehlt es hieran, kann die fehlerhafte Verbescheidung nicht durch Nachschieben anderer Gründe im Urteil des Tatgerichts oder bei der Beurteilung der Begründetheit einer Verfahrensrüge geheilt werden.‹
Tatbestand
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Betroffene am 31.10.2001 um 19.03 Uhr in P. die Sch.-Straße. An der Kreuzung mit der Sonnenstraße überfuhr er die dortige Ampelanlage, obwohl diese für ihn seit 1,77 Sekunden Rotlicht zeigte. Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen wegen einer fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit des Nichtbeachtens eines roten Wechsellichtzeichens zu einer Geldbuße von 125 Euro und verhängte außerdem ein Fahrverbot von der Dauer eines Monats.
Der Betroffene wandte sich mit seiner Rechtsbeschwerde gegen die Verhängung des Fahrverbotes. Er war insbesondere der Auffassung, das Amtsgericht habe einen Beweisantrag zu Unrecht abgelehnt. Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hatte Erfolg.
Entscheidungsgründe
1. Die Rechtsbeschwerde ist ausweislich der Beschwerdebegründung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hat der Betroffene auch die Fahrereigenschaft und den Rotlichtverstoß nicht bestritten. Die Rechtsbeschwerdebegründung stellt den Verkehrsverstoß ebenfalls nicht in Abrede. Die Beschränkung ist auch wirksam. Der Betroffene ist der Auffassung, das Fahrverbot sei deshalb nicht gerechtfertigt, weil es an einer abstrakten Gefährdung mangele und zudem die Ampel für einen Ortsunkundigen überraschend und schwer erkennbar gewesen sei. Die damit aufgestellte Behauptung, es liege aufgrund der Besonderheiten der Ampelanlage kein grober Pflichtenverstoß im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG vor, lässt sich widerspruchsfrei getrennt von den Feststellungen zum Schuldspruch überprüfen und bewerten.
2. Keinen Erfolg hat die Rechtsbeschwerde mit dem Vorbringen, ein Fahrverbot sei schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil es an einer abstrakten Gefährdung fehle. Die Staatsanwaltschaft hat in ihrer Antragsschrift hierzu bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass der Verordnungsgeber bei Schaffung der Nr. 34.2 BKatV a. F., jetzt Nr. 132.2, der Auffassung war, bei Kreuzungsampeln - und dazu zählen auch Fußgängerampeln - sei eine abstrakte Gefährdung grundsätzlich zu unterstellen. Es ist deshalb nicht zulässig, diesen Grundsatz dahingehend einzuschränken, dass Handlungen, die im konkreten Fall ungeeignet sind, das geschützte Rechtsgut in Gefahr zu bringen, von Nr. 132.2 BKatV ausgenommen werden. Es war gerade das Anliegen des Verordnungsgebers, die abstrakte Gefährdung typisierend festzulegen (vgl. BayObLGSt 1996, 188/191). Diese Grundentscheidung des Verordnungsgebers, bestimmte Verhaltensformen als regelmäßig besonders gefährlich und deswegen als grundsätzlich verboten einzustufen, ist auch von den Gerichten zu beachten. Ausnahmen können daher allenfalls zugelassen werden, wenn eine auch nur abstrakte Gefährdung völlig ausgeschlossen ist. Dies ist bei der vorliegend infrage stehenden Konstellation nicht der Fall.
3. Die in zulässiger Weise erhobene Verfahrensrüge der rechtswidrigen Ablehnung eines Beweisantrages führt indes zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung im Rechtsfolgenausspruch.
Das Amtsgericht hat den Beweisantrag des Betroffenen gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 OWiG mit einer Kurzbegründung abgelehnt. Ein Beweisantrag kann gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG unter drei Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen, abgelehnt werden: Es muss bereits eine Beweisaufnahme über eine entscheidungserhebliche (!) Tatsache stattgefunden haben. Aufgrund der Beweisaufnahme muss der Richter zu der Überzeugung gelangt sein, der Sachverhalt sei geklärt und die Wahrheit gefunden, und die beantragte Beweiserhebung muss nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur weiteren Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sein (vgl. KK/Senge OWiG 2. Aufl. § 77 Rn. 15 mit Nachweisen der Rechtsprechung).
Im vorliegenden Fall fehlt es schon an einer vorausgegangenen Beweisaufnahme. Beweisthema war die Behauptung, die Ampelanlage sei im Verhältnis zu anderen so ungünstig angebracht, dass insbesondere ein ortsunkundiger Autofahrer von ihr überrascht werde. Deshalb liege "kein Regelfall nach der Bußgeldkatalogverordnung" vor. Der Amtsrichter hat durch seine ablehnende Entscheidung zum Ausdruck gebracht, dass er diese Behauptung für beweiserheblich hält, insoweit indes keine Beweiserhebung durchgeführt. Die Einlassung des Betroffenen und die Inaugenscheinnahme der bei dem Verkehrsverstoß gefertigten Lichtbilder diente ausweislich der Urteilsgründe dem Nachweis der Fahrereigenschaft und der Rotlichtdauer.
Unerheblich ist, ob der Beweisantrag mit einer anderen Begründung rechtsfehlerfrei hätte abgelehnt...