Leitsatz (amtlich)
1. Die Androhung, daß der Betroffene zwangsweise zur Untersuchung vorgeführt werden könne, ist anfechtbar, wenn das Verfahren nur die Aufhebung einer Betreuung oder einen Betreuerwechsel zum Gegenstand hat.
2. In diesem Verfahren ist die Anordnung der zwangsweisen Vorführung nicht zulässig.
Normenkette
FGG § 68b Abs. 3, § 33
Verfahrensgang
LG Augsburg (Beschluss vom 22.12.1994; Aktenzeichen 5 T 5430/94) |
AG Landsberg a. Lech (Beschluss vom 07.11.1994; Aktenzeichen XVII 244/92 A) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde wird der Beschluß des Landgerichts Augsburg vom 22.12.1994 insoweit aufgehoben, als die Beschwerde gegen Satz 2 des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 7.11.1994 verworfen wurde. Der Beschluß des Amtsgerichts vom 7.11.1994 wird in Satz 2 aufgehoben.
II. Im übrigen wird die weitere Beschwerde zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Für die Betroffene wurde mit Beschluß des Amtsgerichts vom 15.5.1986 Pflegschaft angeordnet; am 9.6.1986 wurde der zuständige Landkreis zum Pfleger bestellt.
Mit Schreiben vom 22.8.1994 beantragte die Betroffene, ihr einen anderen Betreuer zu bestellen. Diesen Antrag wiederholten ihre Verfahrensbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 29.9.1994. Nach persönlicher Anhörung der Betroffenen beschloß das Amtsgericht am 30.9.1994, ein Gutachten über die Notwendigkeit der Betreuung, insbesondere zu den möglichen Aufgabenbereichen, einzuholen. Weil die Betroffene eine Untersuchung durch den Sachverständigen verweigerte, faßte das Amtsgericht am 7.11.1994 folgenden Beschluß:
„Der Beschluß vom 30.9.1994 über die Begutachtung durch Herrn Dr. P. bleibt aufrechterhalten. Sollte die Betroffene zu einem erneuten Termin bei Dr. P. nicht erscheinen oder vorzeitig weggehen, kann die Vorführung durch die Polizei angeordnet werden. Auch ist die Begutachtung ohne Anwesenheit dritter Personen durchzuführen.”
Gegen die beiden ersten Sätze dieses Beschlusses und gegen den Beschluß vom 30.9.1994 legte die Betroffene Beschwerde ein. Diese verwarf das Landgericht mit Beschluß vom 22.12.1994 als unzulässig. Hiergegen richtet sich die mit Anwaltschriftsatz eingelegte weitere Beschwerde der Betroffenen.
Entscheidungsgründe
II.
Die weitere Beschwerde ist ohne Rücksicht auf die Zulässigkeit der Erstbeschwerden zulässig, weil die Erstbeschwerden als unzulässig verworfen wurden (BayObLGZ 1993, 253).
1. Das Landgericht hat ausgeführt, die Beschwerden der Betroffenen gegen die Beschlüsse vom 30.9. und 7.11.1994 seien unzulässig. Das Vormundschaftsgericht könne anordnen, daß ein Betroffener zur Vorbereitung eines Gutachtens untersucht und durch die zuständige Behörde zu einer Untersuchung vorgeführt wird (§ 68b Abs. 3 Satz 1 FGG). Diese Anordnung sei nicht anfechtbar (§ 68 b Abs. 3 Satz 2 FGG). Dasselbe gelte, wenn ein Antrag eines Betroffenen auf Aufhebung der Betreuung erstmals abgelehnt werden solle (§ 69i Abs. 4 FGG). Hieraus folge die Unzulässigkeit der Beschwerden.
2. Die zulässige weitere Beschwerde ist begründet, soweit das Landgericht die Beschwerde gegen Satz 2 des Beschlusses des Amtsgerichts vom 7.11.1994 verworfen hat, im übrigen hat sie keinen Erfolg.
a) Bei den angefochteten Beschlüssen des Amtsgerichts handelt es sich um Anordnungen, durch die die Instanz nicht abgeschlossen wird. Derartige Zwischenverfügungen sind grundsätzlich nicht anfechtbar (BayObLGZ 1982, 167/169; OLG Köln FamRZ 1980, 401). Dieser Grundsatz gilt aber dann nicht, wenn sie unmittelbar und in nicht völlig unerheblicher Weise in Rechte des Betroffenen eingreifen (BayObLG NJW-RR 1987, 136/137; Jansen FGG 2. Aufl. § 19 Rn. 26; Bassenge/Herbst FGG/RPflG 6. Aufl. § 19 FGG Anm. 3).
b) Danach hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht die Beschwerden gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 30.9.1994 und 7.11.1994 Satz 1 als unzulässig verworfen. Diese greifen nicht in die Rechte der Betreuten ein, sie ordnen nur die Erholung eines Gutachtens an, legen der Betreuten aber keine Handlungs- oder Duldungspflicht auf. Die bloße gerichtliche Anordnung, das Gutachten einzuholen, bewirkt noch nicht die Verpflichtung der Betroffenen, sich begutachten und untersuchen zu lassen (Bienwald Betreuungsrecht 2. Aufl. § 68b Rn. 49). Vielmehr braucht die Betreute sich einer Untersuchung nur mit ihrer Einwilligung zu unterziehen (BayObLG FamRZ 1987, 87/88; OLG Frankfurt FamRZ 1993, 442; Jansen FGG § 19 Rn. 26; Damrau/Zimmermann Betreuung und Vormundschaft 2. Aufl. § 68b FGG Rn. 30).
c) Dagegen hat das Landgericht die Beschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts vom 7.11.1994 Satz 2 zu Unrecht als unzulässig verworfen.
Die Drohung, die Betroffene könne durch die Polizei vorgeführt werden, wenn sie nicht freiwillig beim Gutachter erscheine oder vorzeitig weggehe, ist anfechtbar. Eine Begutachtung, die mit Zwangsmitteln erzwungen werden soll, kann für den Betroffenen einen rechtlichen Nachteil mit sich bringen, der nicht mehr (vollständig) behoben werden kann (Jansen a.a.O.). Dies trifft auf die angefochtene Anordnung der Vorführung zur Untersuchung zu (BayOblGZ...