Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 02.12.2020; Aktenzeichen 38 O 14272/17)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 2. Dezember 2020, Az. 38 O 14272/17, wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass klargestellt wird, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats insgesamt zurückgewiesen wird.

2. Die Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren trägt die Antragsgegnerin.

3. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000,00 EUR festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die rechtmäßige Zusammensetzung des Aufsichtsrats der Antragsgegnerin nach deren Umwandlung in eine Societas Europaea (SE).

Die börsennotierte Antragsgegnerin, Konzernobergesellschaft der C. G. mit Sitz in M., die im Bereich der IT-Infrastruktur tätig ist, wurde bis ins Jahr 2013 in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht betrieben. Ihr Aufsichtsrat setzte sich bis zu diesem Zeitpunkt ausschließlich aus Vertretern der Anteilseigner zusammen. Auf der Grundlage eines Umwandlungsplans vom 16. Juli 2012 (Anlage AG 2) wurde die Antragsgegnerin in eine dualistisch organisierte SE umgewandelt. Die Eintragung erfolgte im Februar 2013. Im Vorfeld der Umwandlung schlossen die Aktiengesellschaft und das besondere Verhandlungsgremium am 16. November 2012 eine Mitbestimmungsvereinbarung (Anlage AG 1), die in Ziffer 22 - Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat - wie folgt lautet: "Der Aufsichtsrat der C. SE ist weder paritätisch noch drittelparitätisch noch in sonstiger Weise mitbestimmt. Es gibt keine Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat." Die Vereinbarung enthält in Ziffer 30 eine salvatorische Klausel.

Am 31. Mai 2012 beschäftigten die inländischen deutschen Gesellschaften der C. Group zusammen 1.815 Mitarbeiter. Die Geschäftsberichte für die Jahre 2011, 2012 und 2013 wiesen jeweils mehr als 2.000 Mitarbeiter aus.

Der Antragsteller ist Aktionär der Antragsgegnerin.

Mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2017, eingegangen beim Landgericht München I am selben Tag, beantragte der Antragsteller

eine gerichtliche Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats der Antragsgegnerin gemäß § 98 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AktG.

Der Aufsichtsrat sei nicht nach den für ihn maßgebenden gesetzlichen Vorschriften zusammengesetzt, da er aktuellen Regelungen des Mitbestimmungsgesetzes widerspreche, konkret den §§ 1 und 5 MitbestG. Im Zuge der formwechselnden Umwandlung der früheren C. AG in eine SE sei keine wirksame Vereinbarung mit der Arbeitnehmerseite über die Mitbestimmung getroffen worden; die bestehende Mitbestimmungsvereinbarung sei wegen Verstoßes gegen § 15 Abs. 5 des Gesetzes über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft (im Folgenden: SE-Beteiligungsgesetz - SEBG) unwirksam. Die Mitbestimmung bei der Antragsgegnerin richte sich daher nach der gesetzlichen Auffanglösung. Maßgeblich sei danach nicht die tatsächlich praktizierte Mitbestimmung im Aufsichtsrat der an der Gründung der SE beteiligten Gesellschaft, sondern die für den Aufsichtsrat dieser Gesellschaft gesetzlich vorgesehene Mitbestimmung. Nach diesem Maßstab sei die Antragsgegnerin bereits vor der Umwandlung in die SE verpflichtet gewesen, einen nach Maßgabe des Mitbestimmungsgesetzes mitbestimmten Aufsichtsrat zu bilden. Der Aufsichtsrat müsse daher zur Hälfte mit Vertretern der Arbeitnehmer besetzt werden.

Das Landgericht veranlasste mit Verfügung vom 10. Oktober 2017 die Veröffentlichung des Antrags im Bundesanzeiger.

Mit Schriftsatz vom 13. März 2018 wiederholte der Antragsteller, dass die bestehende Beteiligungsvereinbarung wegen Verstoßes gegen § 15 Abs. 5, § 21 Abs. 6 SEBG unwirksam sei, da sie zu einer Minderung von Mitbestimmungsrechten der Arbeitnehmer geführt habe. Maßgeblich sei der "Soll-Zustand". Eine andere Auslegung liefe dem Sinn und Zweck der SE-Beteiligungsrichtlinie 2001/86/EG diametral zuwider. Aus dem 18. Erwägungsgrund der Richtlinie sei klar ersichtlich, dass Maßstab des Vorher-Nachher-Prinzips die Rechte der Arbeitnehmer seien. Diese ergäben sich aus dem Gesetz und würden auch dann im Rahmen des Verhandlungsverfahrens geschützt, wenn sie aufgrund rechtswidriger Besetzung des Aufsichtsrats den Arbeitnehmern zuvor tatsächlich vorenthalten worden seien. Im Lichte des 18. Erwägungsgrunds könne auch Art. 4 Abs. 4 der SE-Beteiligungsrichtlinie nur so zu verstehen sein, dass es für die Wirksamkeit der Beteiligungsvereinbarung darauf ankomme, ob (i) die Mitbestimmung bei der SE der Mitbestimmung bei der Aktiengesellschaft im Zeitpunkt der Umwandlung entspreche und (ii) ob die Zusammensetzung des Aufsichtsrats vor der Umwandlung den gesetzlichen Vorgaben über die Mitbestimmung entsprochen habe. Demnach sei nur eine Auslegung der § 15 Abs. 5, § 21 Abs. 6 SEBG unionsrechtskonform, die zur Unwirksamkeit der Beteiligungsvereinbarung führe. Mangels wirksamer Beteiligungsvereinbarung rich...

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