Leitsatz (amtlich)
1. Hat der Erblasser in einem notariellen Testament ausdrücklich verfügt, eine Ersatzerbenbestimmung nicht treffen zu wollen, so fehlt es an Zweifeln, welche die Anwendung der Auslegungsregel des § 2069 BGB voraussetzen würde.
2. Zu den möglichen Folgen einer Ausschlagung der Erbschaft unter dem Vorbehalt, durch die Ausschlagung gem. § 2306 BGB den Pflichtteil erlangen zu können.
Normenkette
BGB §§ 1945, 1947, 1949-1950, 2069, 2094, 2306
Verfahrensgang
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 4) werden der Beschluss des LG München v. 17.12.2003 und der Beschluss des AG München v. 26.11.2002 aufgehoben.
II. Das AG München wird angewiesen, den der Beteiligten zu 2) erteilten Erbschein einzuziehen.
III. Die Sache wird zu anderer Behandlung und neuer Entscheidung über die Erbscheinsanträge an das LG München I zurückverwiesen.
Gründe
I. Die verwitwete Erblasserin ist am 27. oder 28.4.2002 im Alter von 76 Jahren verstorben. Ihr leiblicher Sohn ist kinderlos vorverstorben. Die 1946 geborene Beteiligte zu 1) ist ihre Adoptivtochter, die Annahme als Kind wurde mit Beschluss des AG v. 8.7.1994 ausgesprochen. Die 1967 geborene Beteiligte zu 2) ist die Tochter der Beteiligten zu 1), die minderjährige Beteiligte zu 3) ihre Enkeltochter, die gesetzlich allein durch die Beteiligte zu 2) vertreten wird. Die 1959 geborene Beteiligte zu 4) war der Erblasserin durch eine enge freundschaftliche Beziehung verbunden; die Erblasserin hatte beabsichtigt, sie zu adoptieren.
Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus einem Einfamilienhaus im Wert von rund 210.000 Euro, Bankguthaben und Wertpapieren im Wert von rund 75.000 Euro sowie einer Darlehensforderung gegen die Beteiligte zu 4) i.H.v. rund 53.000 Euro.
Mit notariellem Testament v. 23.8.2001 setzte die Erblasserin die Beteiligte zu 1) und die Beteiligte zu 4) als Erben zu gleichen Teilen ein, ferner ordnete sie im Wege des Vorausvermächtnisses zu Gunsten der Beteiligten zu 4) ein lebenslanges unentgeltliches dingliches Wohnrecht in dem Wohnhaus an. Weiter ist im Testament bestimmt: "Ersatzerbbestimmungen werden nicht getroffen."
Die Beteiligte zu 1) hat am 24.6.2002 zur Niederschrift des Nachlassgerichts nach Belehrung über die Wirkung und Unwiderruflichkeit der Erbschaftsausschlagung erklärt: "Die angefallene Erbschaft schlage ich aus, soweit sie auf dem notariellen Testament v. 23.8.2001 beruht". Eine gleichlautende Erklärung gab die Beteiligte zu 2) im selben Termin ab, sowohl für sich selbst als auch als alleinige gesetzliche Vertreterin der Beteiligten zu 3).
Mit notarieller Urkunde v. 25.7.2002 hat die Beteiligte zu 2) die Anfechtung der Erbausschlagung für sich und ihre Tochter mit der Begründung erklärt, sie habe geglaubt, dass die Ausschlagung mit Wirkung für sie und ihre Tochter notwendig sei, damit ihre Mutter den unbeschwerten Pflichtteil geltend machen könne.
Mit Beschluss v. 26.11.2002 hat das AG die Erteilung eines Erbscheins angekündigt, der die Beteiligte zu 4), entsprechend ihrem Antrag, als Alleinerbin ausweist. Zur Begründung hat das AG ausgeführt, die Ausschlagungserklärungen seien wirksam; ein Anfechtungsgrund liege nicht vor: Die Fehlvorstellungen bezüglich des Pflichtteilsanspruchs stellten einen unbeachtlichen Motivirrtum dar. Auf die von den Beteiligten zu 1) bis 3) gegen diesen Beschluss des AG eingelegte Beschwerde hat das LG mit Beschluss v. 17.12.2003 den Beschluss des AG aufgehoben und das Nachlassgericht angewiesen, der Beteiligten zu 2) einen Erbschein zu erteilen, der sie als Miterbin zu ½ ausweist. Mit Beschluss v. 28.1.2004 hat das AG der Beteiligten zu 2) einen gemeinschaftlichen Erbschein erteilt, der sie und die Beteiligte zu 4) als Miterben zu je 1/2 ausweist. Gegen die Entscheidung des LG hat die Beteiligte zu 4) am 17.6.2004 weitere Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, den Beschluss v. 17.12.2003 aufzuheben, ferner den inzwischen der Beteiligten zu 2) erteilten Erbschein einzuziehen und das Nachlassgericht anzuweisen, der Beteiligten zu 4) einen Alleinerbschein zu erteilen.
II. Das zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Der zwischenzeitlich erteilte Erbschein ist unrichtig und daher vom AG einzuziehen. Im Übrigen wird die Sache zur anderen Behandlung und neuen Entscheidung über die gestellten Erbscheinsanträge an das LG München I zurückverwiesen.
1. Das LG hat ausgeführt:
Die von den Beteiligten zu 1) und 2) zu Protokoll des Nachlassgerichts v. 24.6.2002 abgegebenen Ausschlagungserklärungen seien wirksam. Insbesondere seien sie nicht unter einer unzulässigen Bedingung (§ 1947 BGB) abgegeben worden. Die Beteiligte zu 2) habe ihre Ausschlagung jedoch fristgerecht und wirksam wegen Irrtums angefochten. Sie habe irrig angenommen, mit ihrer Ausschlagungserklärung verschaffe sie ihrer Mutter einen Pflichtteilsanspruch; in Wahrheit habe sie mit ihrer Erklärung...