Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Bestellung von Gewerkschaftsvertretern für den Aufsichtsrat mitbestimmter Unternehmen steht dem Gericht bei Vorschlägen konkurrierender Gewerkschaften ein freies Auswahlermessen zu (BayObLG v. 20.8.1997 - 3Z BR 193/97, BayObLGZ 1997, 262 = BayObLGReport 1998, 14 = AG 1998, 36). Sprechen keine anderen wesentlichen Gesichtspunkte für oder gegen einen Kandidaten, können auch geschlechtsspezifische Kriterien zur Wahrung der Gleichberechtigung (hier: Berücksichtigung einer Frau neben einem bereits ausgewählten männlichen Aufsichtsratsmitglied) herangezogen werden.

2. Zur Frage, unter welchen Umständen der Tatrichter prüfen muss, ob die vorschlagende Gewerkschaft tatsächlich alle erforderlichen Merkmale des Gewerkschaftsbegriffs erfüllt (hier: allgemein geäußerte Zweifel daran, dass die Gewerkschaft in dem betreffenden Unternehmen "eine gewisse Tarifmächtigkeit"habe, obwohl sie ein Betriebsratsmitglied stellt).

 

Normenkette

MitbestG § 7 Abs. 2; FGG § 145

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 14.05.2004; Aktenzeichen 17 HK T 7077/04)

 

Tenor

I. Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG München I vom 14.5.2004 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 50.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Für die Gesellschaft (eine GmbH) ist gem. § § 7 Abs. Abs. 1 der Satzung ein Aufsichtsrat mit 14 Mitgliedern zu bilden. Die Gesellschaft unterliegt mit über 2000 Arbeitnehmern dem Mitbestimmungsgesetz. Der Aufsichtsrat muss daher zur Hälfte aus Vertretern der Arbeitnehmer bestehen, deren Zusammensetzung sich nach § 7 Abs. 2 Mitbestimmungsgesetz richtet. Eine Wahl zum Aufsichtsrat hat bisher nicht stattgefunden.

Von den derzeit etwa 2100 bei der Gesellschaft beschäftigten Arbeitnehmern sind mehr als die Hälfte Mitglieder der Beteiligten zu 1) (Gewerkschaft A). Die Beteiligte zu 2) (Gewerkschaft B) behauptet, unter den Arbeitnehmern der Gesellschaft 250 Mitglieder zu haben. Sie stellt ein Mitglied im Betriebsrat des von der Gesellschaft mit zwei anderen Gesellschaften unterhaltenen "Gesamtbetriebs Versorgung"; es wurde mit 54 Stimmen auf den neunten Platz gewählt wurde.

Am 16.2.2004 beantragte der Beteiligte zu 1) die gerichtliche Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder auf der Arbeitnehmerseite. Hierbei benannte sie vier ihrer Mitglieder als Arbeitnehmervertreter sowie als Gewerkschaftsvertreter die Herren H. und D.

Die Gesellschaft selbst beantragte mit Schreiben vom 20.2.2004 gleichfalls die gerichtliche Bestellung der Arbeitnehmervertreter, wobei sie sich den sechs Vorschlägen des Beteiligten zu 1) anschloss. Als siebten Arbeitnehmer schlug die Gesellschaft den nicht gewerkschaftlich organisierten Herrn E vor.

Mit Schreiben vom 16.3.2004 stellte auch die Beteiligte zu 2) den Antrag auf Bestellung der Arbeitnehmer für den Aufsichtsrat. Hierbei schloss sie sich gleichfalls dem Wahlvorschlag des Beteiligten zu 1) an, allerdings mit Ausnahme des Herrn H an dessen Stelle ihr Mitglied Frau F. als Gewerkschaftsvertreterin für den Aufsichtsrat benannt wurde. Frau F. ist Mitglied des Betriebsrats des von mehreren Unternehmen, u.a. der hier betroffenen Gesellschaft, gemeinschaftlich geführten Betriebes Versorgung.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das AG mit Beschluss vom 23.3.2004 sieben Arbeitnehmervertreter als Aufsichtsratsmitglieder bestellt. Als Gewerkschaftsvertreter wurden Herr D von dem Beteiligten zu 1) und Frau F. von der Beteiligten zu 2) bestimmt.

Gegen diesen Beschluss legte der Beteiligte zu 1) sofortige Beschwerde ein mit dem Ziel, an Stelle von Frau F. den von ihm vorgeschlagenen Herrn H zu bestellen.

Mit Beschluss vom 14.5.2004 hat das LG die sofortige Beschwerde zurückgewiesen und den Beschwerdewert auf 50.000 Euro festgesetzt.

Mit der sofortigen weiteren Beschwerde strebt der Beteiligte zu 1) weiterhin die Bestellung des Herrn H an Stelle der Frau F. zum zweiten Gewerkschaftvertreter im Aufsichtsrat an.

II. Das Rechtsmittel ist zulässig, insb. fristgerecht eingelegt. Es ist jedoch nicht begründet.

1. In seiner Entscheidung hat das LG ausgeführt:

Die zulässige Beschwerde sei unbegründet, weil in dem hier notwendigen gerichtlichen Bestellungsverfahren nach § 104 Abs. 3 Nr. 2 AktG i.V.m. § 6 Abs. 2 S. 1 Mitbestimmungsgesetz sowie § 7 Abs. 2 der Gesellschaftssatzung die Tatsachengerichte bei der Bestellung der vorgeschriebenen zwei Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat grundsätzlich zwischen konkurrierenden Personalvorschlägen von Gewerkschaften frei wählen könnten. Die Bestellung von Frau F. an Stelle von Herrn H. entspreche pflichtgemäßem Ermessen.

Nach § 104 Abs. 4 S. 4 AktG solle das Gericht Vorschläge von Gewerkschaften berücksichtigen, die ein Vorschlagsrecht zur Wahl des Aufsichtsratsmitgliedes haben, sofern nicht überwiegende Belange der Gesellschaft oder der Allgemeinheit der Bestellung des Vorgeschlagenen entgegenstünden. Im vorliegenden Fall hätten beide im Unternehmen vertretenen Gewerkschaften ein Vorschlagsrecht für di...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge