Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen und zur Aufklärungspflicht des Gerichts bei vorläufiger öffentlich-rechtlicher Unterbringung, wenn der Betroffene mit Selbsttötung gedroht haben soll.

 

Normenkette

FGG § 12; UnterbrG Art. 1 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Ingolstadt (Beschluss vom 28.04.2003; Aktenzeichen 1 T 701/03)

AG Ingolstadt (Aktenzeichen XIV 90/03)

 

Tenor

Auf die sofortige weitere Beschwerde wird der Beschluss des LG Ingolstadt vom 28. April 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG Ingolstadt zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Mit Bescheid vom 21.3.2003 ordnete die zuständige Behörde die sofortige vorläufige Unterbringung der Betroffenen in der geschlossenen Abteilung der D.-Klinik an, weil die Betroffene nach Angaben ihres Ehemanns ihre acht Kinder „öfters mit Suiziddrohungen konfrontiert” und in der vorangegangenen Nacht „innerhalb der Familie erneut im Rahmen eines eskalierenden Familienstreits massive Suizidankündigungen ausgesprochen” habe.

In einer richterlichen Anhörung am 24.3.2003 erklärte der behandelnde Arzt als Sachverständiger, die Suizidgefahr bei der Betroffenen sei nicht sicher zu verifizieren. Ihr Verhalten sei aber nicht berechenbar. Sie habe eine Impulskontrollstörung, eine wie auch immer geartete Affekthandlung sei nicht auszuschließen. Eine Unterbringung nach dem Unterbringungsgesetz könne nicht sicher beurteilt werden. Befürwortet würde aber eine Unterbringung nach Betreuungsrecht, „insb. § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB”. Die Betroffene sei in jedem Fall untersuchungs- und behandlungsbedürftig. Krankheitseinsicht sei nicht vorhanden.

Der Richter eröffnete der Betroffenen daraufhin, dass voraussichtlich „die Unterbringung angeordnet” werde, vermutlich aber nicht wegen Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, sondern „wegen Untersuchungs- und Behandlungsbedürftigkeit”. Zugleich legte er der Betroffenen nahe, zu ihrem eigenen Wohl freiwillig zur weiteren Krankheitsabklärung in der Klinik zu bleiben. Die Betroffene erklärte daraufhin ihre Bereitschaft zu einem weiteren freiwilligen Klinikaufenthalt einschl. der notwendigen Untersuchungen.

Mit Beschluss vom 27.3.2003 stellte das VormG mit entsprechender Begründung das Unterbringungsverfahren ein.

Nachdem die Betroffene offenbar ihre Freiwilligkeitserklärung widerrufen hatte, wurde sie am 11.4.2003 erneut in Anwesenheit des behandelnden Oberarztes sowie eines Psychologen angehört. Am selben Tag ordnete das VormG die vorläufige öffentlich-rechtliche Unterbringung der Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bis höchstens 22.5.2003 und die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses an. Zur Begründung wurde eine schwere Persönlichkeitsstörung der Betroffenen mit gestörter Impulskontrolle und Unberechenbarkeit angeführt. Affekthandlungen seien nicht auszuschließen. Es bestehe die „nicht unerhebliche Gefahr suizidaler Handlungen”.

Auf die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde übertrug die zuständige Kammer das Beschwerdeverfahren einem Mitglied als Einzelrichter zur Entscheidung.

Dieser hörte am 23.4.2003 in Anwesenheit des Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen zunächst den behandelnden Oberarzt sowie anschließend die Betroffene an.

Mit Beschluss vom 28.4.2003 wurde die sofortige Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss des VormG vom 11.4.2003 zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen.

II. Die sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen ist zulässig, insb. form- und fristgerecht eingelegt.

Sie ist auch in der Sache begründet.

1. Unbehelflich sind allerdings die verfahrensrechtlichen Rügen der Betroffenen.

Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass die Entscheidung nicht von der gesamten Kammer, sondern dem Einzelrichter getroffen wurde.

Durch Art. 13 des Zivilprozess-Reformgesetzes vom 27.7.2001 (BGBl. I S. 1887) wurde § 30 Abs. 1 FGG durch Einfügung eines S. 3 dahingehend geändert, dass § 526 ZPO n.F. entspr. anwendbar ist, wenn die Zivilkammer des LG über die Beschwerde in einem Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit zu entscheiden hat. Damit kann auch die Beschwerdekammer des LG unter den in § 526 Abs. 1 ZPO genannten Voraussetzungen (insb. keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art; keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) die Rechtssache einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Das ist hier mit Kammerbeschluss vom 16.4.2003 geschehen. Auf eine vorgenommene Übertragung auf den Einzelrichter kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden (§ 30 Abs. 1 S. 3 FGG i.V.m. § 526 Abs. 3 ZPO).

2. Jedoch hat das LG die tatsächlichen Voraussetzungen einer auf Art. 1 UnterbrG gestützten Unterbringung nicht hinreichend festgestellt.

a) Das LG hat die Zurückweisung der Beschwerde wie folgt begründet:

Die Betroffene leide unter einer psychischen Erkrankung, die wahrscheinlich als schwere Persönlichkeitsstörung einzuordnen sei. Differenzialdiagnostisch komme auch das Vorliegen eine...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge