Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache. Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses
Verfahrensgang
AG Kempten (Aktenzeichen UR II 25/91) |
LG Kempten (Aktenzeichen 4 T 2465/91) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner und der weiteren Beteiligten gegen den Beschluß des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 16. April 1992 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegner und die weitere Beteiligte haben als Gesamtschuldner die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Geschäftswert für alle Rechtszüge wird auf 75 000 DM festgesetzt; die Geschäftswertfestsetzung durch Amtsgericht und Landgericht wird entsprechend abgeändert.
Gründe
I.
Die Antragsteller und die weit über 200 Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer in Wohnungseigentum aufgeteilten Hotelanlage; die weitere Beteiligte ist die Verwalterin. Das Wohnungseigentum besteht jeweils an einem Hotel-Appartement. Nach der Gemeinschaftsordnung sind die Wohnungseigentümer verpflichtet, ihr Hotel-Appartement an eine Hotel-Betriebsgesellschaft zu vermieten. Von dieser Betriebsgesellschaft werden die Appartements an die Hotelgäste weiter vermietet. Die Erlöse aus dieser Weitervermietung fließen in einen sog. Mietpool und werden an die Wohnungseigentümer ausbezahlt, soweit Überschüsse vorhanden sind. Eine Eigennutzung der Appartements durch die Eigentümer ist nur mit Zustimmung der Betriebsgesellschaft zulässig.
Im Anschluß an die Hotelanlage wird von der derzeitigen und von der ab 1993 tätigen Hotelbetriebsgesellschaft ein Tagungsanbau errichtet, der teilweise auf dem Wohnungseigentumsgrundstück, teilweise auf einem Nachbargrundstück steht. Zu diesem Bauvorhaben hatten die Wohnungseigentümer mit Beschluß vom 12.5.1984 ihre Zustimmung erteilt. In diesem Beschluß heißt es u. a.:
Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß kein Eigentümer durch die Beschlußfassung zu einer Kostenübernahme aus dem Tagungsanbau verpflichtet werden kann.
In der Anlage zu dem Beschluß heißt es:
Die … Hotelbetriebsgesellschaft und die Fa. S. verpflichten sich gesamtschuldnerisch, die für den Kongreß- und Tagungsanbau geforderten Stellplätze für die Eigentümer der Hotelanlage kostenlos nachzuweisen, d. h. zu erstellen bzw. abzulösen.
Im Frühjahr 1991 verpflichtete sich die Hotelbetriebsgesellschaft in einem Vertrag mit der Gemeinde, als Ablöse für die zum Betrieb des Tagungsanbaus erforderlichen Stellplätze eine Summe von 750 000 DM zu bezahlen.
In einer Eigentümerversammlung am 23.3.1991, zu der manche Eigentümer die Einladung erst zwei Tage vorher erhalten hatten, faßten die Wohnungseigentümer zu Tagesordnungspunkt (TOP) II 4 folgenden Beschluß:
Die Eigentümer übernehmen die von der Stadt in Aussicht gestellte Ablösesumme für zu errichtende bzw. nunmehr abzulösende Stellplätze für den Tagungsanbau in Höhe von 750 000 DM. Die Zahlung erfolgt ab dem der Bezugsfertigkeit des Tagungsanbaus folgenden Kalendermonat mit monatlich DM 100 000 und einmal DM 150 000 durch Verrechnung mit der monatlichen Mietzinszahlung.
Die Antragsteller, die die Einladung zu dieser Eigentümer Versammlung erst am 21. bzw. 22.3.1991 erhalten hatten, haben beim Amtsgericht beantragt, den Eigentümerbeschluß zu TOP II 4 für ungültig zu erklären.
Mit Schreiben vom 23.5.1991 entband die ab 1.1.1993 tätig werdende Hotelbetriebsgesellschaft beide Antragstellerehepaare von der Verpflichtung, sich an der Bezahlung der Ablösesumme zu beteiligen, und wies zugleich darauf hin, daß die Antragsteller auch keine Ansprüche an den Nutzungen des Tagungsanbaus hätten.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht erklärte außerdem der Geschäftsführer der Verwalterin „ausdrücklich auch im Namen der Wohnungseigentümer”, daß die Antragsteller von der Kostentragungspflicht durch den angefochtenen Eigentümerbeschluß freigestellt würden.
Das Amtsgericht hat daraufhin mit Beschluß vom 23.10.1991 die Anträge der Antragsteller mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abgewiesen. Auf die sofortigen Beschwerden der Antragsteller hat das Landgericht mit Beschluß vom 16.4.1992 den Beschluß des Amtsgerichts aufgehoben und den Eigentümerbeschluß vom 23.3.1991 zu TOP II 4 für ungültig erklärt.
Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner und der weiteren Beteiligten, mit der sie eine Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses erstreben.
II.
Das Rechtsmittel ist unbegründet.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Die Anfechtung des Eigentümerbeschlusses sei zulässig. Das generell vorhandene Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtung sei durch die inzwischen abgegebenen Freistellungserklärungen nicht entfallen. Denn jeder Wohnungseigentümer habe einen Anspruch darauf, daß von der Gemeinschaft nur solche Beschlüsse gefaßt werden, die dem Gesetz und der Gemeinschaftsordnung entsprechen; dabei sei es gleichgültig, ob der anfechtende Eigentümer durch den Beschluß persönlich in seinen Rechten oder rechtlich geschützten Interessen betroffen ...