Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbvertrag
Leitsatz (redaktionell)
1. Aus dem Umstand, daß eine Verfügung in einem Erbvertrag enthalten ist, folgt noch nicht ihre Vertragsmäßigkeit. Es ist dann Sache der Auslegung, welche Bedeutung der Verfügung beizulegen ist, und bei dieser Auslegung wird – wenigstens bei Verfügungen zugunsten Dritter – vor allem zu prüfen sein, ob der Erblasser oder der andere Vertragsteil ein Interesse an der Bindung des Erblassers gehabt haben.
2. Der Erbverzicht gehört nicht zu den von § 2278 Abs. 2 BGB umschriebenen erbvertraglich zulässigen Anordnungen
Normenkette
BGB § 2278 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 27.06.1995; Aktenzeichen 13 T 8741/96) |
AG Nürnberg (Beschluss vom 20.09.1994; Aktenzeichen VI 1949/86) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 werden die Beschlüsse des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 27. Juni 1995 und des Amtsgerichts Nürnberg vom 20. September 1994 aufgehoben.
II. Das Amtsgericht Nürnberg wird angewiesen, den von ihm am 17. März 1987 verfügten und erteilten Erbschein einzuziehen.
Tatbestand
I.
Die 1986 im Alter von 73 Jahren verstorbene Erblasserin war zweimal verheiratet. Aus ihrer ersten, durch den Tod des Ehemannes aufgelösten Ehe ist der 1945 geborene Sohn, der Beteiligte zu 1, hervorgegangen. Dieser ist geistig behindert.
Die Erblasserin hat mit ihrem zweiten Ehemann, der 1978 vorverstorben ist, am 20.7.1964 folgenden notariellen Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag vereinbart:
„I.
- Ich setze hiermit meinen Sohn aus erster Ehe (= Beteiligter zu 1) zu meinem alleinigen und ausschließlichen Erben ein.
- Meinem Ehemann vermache ich auf Lebenszeit und vollkommen unentgeltlich das Wohnungsrecht in dem Anwesen …
- Ich ordne hiermit Testamentsvollstreckung an. Zum Testamentsvollstrecker bestimme ich meinen Ehemann.
- Ich setze zu meiner Alleinerbin meine Ehefrau ein. Zum Ersatzerben bestimme ich deren Sohn (= Beteiligter zu 1).
Entscheidungsgründe
II.
Ich verzichte hiermit meiner Ehefrau gegenüber auf mein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht. Ich (= Ehefrau) nehme hiermit diesen Verzicht an.
III.
Zur Herbeiführung der erbvertragsmäßigen Bindung nehmen wir die vorstehenden erbvertragsmäßigen Bestimmungen gegenseitig an. Wir wurden belehrt, daß diese Bestimmungen einseitig weder abgeändert noch aufgehoben werden können.
….”
Die Erblasserin und ihr zweiter Ehemann haben am 12.10.1973 in einem notariellen Nachtrag zum Erbvertrag diesen erbvertraglich dahingehend abgeändert, daß die Erblasserin die Einsetzung ihres Ehemannes zum Ersatzerben widerrief; ebenso widerrief der Ehemann der Erblasserin darin die Einsetzung ihres Sohnes zu seinem Ersatzerben.
Am 2.7.1982 errichtete die Erblasserin ein eigenhändiges Testament, in dem sie das Erbrecht ihres Sohnes mit der Anordnung einer Nacherbfolge belastete und einen Nacherben einsetzte. Ferner legte sie ebenfalls in einem eigenhändigen Testament am 8.9.1985 fest, daß ihr Sohn, der Beteiligte zu 1, in der Wohnung wie bisher verbleiben könne und von dem Beteiligten zu 2 betreut werden solle.
Schließlich errichtete sie am 18.12.1985 ein notarielles Testament, in dem sie den Beteiligten zu 2 zum Nacherben einsetzte. Das Testament hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
„I.
…
2. Ich habe mit meinem inzwischen verstorbenen zweiten Ehemann einen Erbvertrag errichtet, worin mein Ehemann mich zu seiner alleinigen Erbin und ich meinen erstehelichen Sohn zu meinem alleinigen Erben eingesetzt und ich weiterhin meinem Ehemann ein Wohnungsrecht vermacht habe.
Bei Abschluß der Erbverträge waren mein Mann und ich uns einig, daß nur meine Erbeinsetzung durch ihn und das Vermächtnis (Wohnungsrecht) an ihn als wechselseitige Verfügungen, die Erbeinsetzung meines Sohnes, als mei- nen Erben aber als von mir gemäß § 2299 Abs. 1 BGB ein- seitig vorgenommene Verfügung zu betrachten sind.
Ich bin also gemäß § 2299 Abs. 1 und 2 i.V.m. §§ 2253 ff. BGB zur Abänderung und Ergänzung der erfolgten Erbeinsetzung meines Sohnes berechtigt.
II.
Letztwillige Verfügungen
Ich treffe hiermit folgende letztwillige Verfügung:
- Es verbleibt dabei, daß mein Sohn mein alleiniger Erbe ist; ich wiederhole hiermit diese Erbeinsetzung. Er ist jedoch nur von allen gesetzlichen Beschränkungen befreiter Vorerbe.
- Zum Nacherben und auch zum Ersatzerben setze ich ein meinen Neffen (Beteiligter zu 2).
Die Nacherbfolge tritt ein mit dem Ableben des Vorerben.
…”
Ferner brachte sie u.a. in dem Testament zum Ausdruck, daß der Beteiligte zu 2 ihren Sohn in seine Familie aufnehmen und zum Pfleger ihres Sohnes im Falle eines Bedürfnisses bestellt werden solle.
Für den Beteiligten zu 1 wurde durch das Vormundschaftsgericht zur Vertretung im Nachlaßverfahren ein Pfleger bestellt.
Der Beteiligte zu 2 beantragte die Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Nacherben des Beteiligten zu 1 ausweist. Mit Beschluß vom 10.11.1986 wies das Nachlaßgericht diesen Antrag zurück. Dagegen bewilligte es am 17.3.1987 einen Erbschein, der den Beteiligten zu 1 als Alleinerben ohne Beschränkung durch ...