Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache: Wiedereinsetzung bei Anwaltsverschulden
Verfahrensgang
Tenor
I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde wird abgelehnt.
II. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landgerichts Augsburg vom 22. Mai 1990 wird verworfen.
III. Der Antragsgegner hat die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 20 000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist die Verwalterin einer Wohnanlage, die aus 79 Wohnungen und 4 als Läden bezeichneten Teileigentumseinheiten besteht. Der Antragsgegner ist Eigentümer einer dieser Teileigentumseinheiten, in der eine Videothek betrieben wird, die von Montag bis Samstag jeweils bis 22.00 Uhr geöffnet ist.
In Verfahrensstandschaft für die übrigen Wohnungs- und Teileigentümer hat die Antragstellerin beim Amtsgericht beantragt, dem Antragsgegner zu verbieten, in seinem Teileigentum eine Videothek zu betreiben oder betreiben zu lassen.
Das Amtsgericht hat dem Antrag mit Beschluß vom 16.11.1989 voll entsprochen; das Landgericht hat auf sofortige Beschwerde des Antragsgegners mit Beschluß vom 22.5.1990 das Verbot auf die Zeiten außerhalb der gesetzlichen Ladenschlußzeiten beschränkt. Dieser Beschluß wurde dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners am 18.6.1990 nach § 212a ZPO zugestellt.
Am 4.7.1990 ging beim Landgericht ein Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners ein, in dem er sofortige weitere Beschwerde einlegt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners ist verspätet eingelegt und deshalb unzulässig. Ein Wiedereinsetzungsgrund ist nicht vorgetragen.
1. Die zweiwöchige Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde nach § 45 Abs. 1 WEG, § 22 Abs. 1, § 29 Abs. 2 FGG ist am 2.7.1990 um 24 Uhr abgelaufen (§ 17 Abs. 1 FGG, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Die am 4.7.1990 eingegangene sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners ist daher verspätet.
2. Dem Antragsgegner kann auch nicht nach § 22 Abs. 2 FGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erteilt werden. Dies würde nach § 22 Abs. 2 Satz 1 FGG voraussetzen, daß der Antragsgegner ohne sein Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten. Nach § 22 Abs. 2 Satz 2 FGG wird ihm dabei ein Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten und dessen Vertreters voll zugerechnet (Keidel/Kuntze FGG 12. Aufl. Rn. 25, Jansen FGG 2. Aufl. Rn. 22, jeweils zu § 22). Als seine Vertreter gelten allerdings nicht die Hilfspersonen eines Rechtsanwalts; deren Verschulden wird dem Antragsgegner nicht zugerechnet (Bassenge/Herbst FGG/RpflG 5. Aufl. Anm. II 2 c gg, Keidel/Kuntze Rn. 27, Jansen Rn. 22, jeweils zu § 22 FGG).
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners beruht die Versäumung der Beschwerdefrist nicht nur auf dem Verschulden der Kanzleivorsteherin des Verfahrensbevollmächtigten, sondern – zumindest auch – auf eigenem Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten oder seiner amtlich bestellten Vertreterin.
a) Der Antragsgegner hat zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags vortragen lassen, am 18.6.1990, an dem der Beschluß des Landgerichts in der Kanzlei eingegangen sei, sei sein Verfahrensbevollmächtigter krankheitsbedingt nicht in der Kanzlei erschienen. Seine amtlich bestellte Vertreterin habe sich nach Rückkehr von einem vierwöchigen Urlaub zunächst um ihre eigenen Verfahren kümmern müssen. Da der Verfahrensbevollmächtigte sein Erscheinen zur Wochenmitte angekündigt habe, sei die Post für ihn zunächst unerledigt liegen geblieben. Als sich die längere Dauer seiner Erkrankung herausgestellt habe, habe sich die amtliche Vertreterin bei der seit mehreren Jahren als zuverlässig erwiesenen Kanzleivorsteherin ausdrücklich erkundigt, ob alle Fristen in den Sachen des erkrankten Verfahrensbevollmächtigten notiert worden seien. Das habe die Kanzleivorsteherin bejaht. In Wirklichkeit habe die Kanzleivorsteherin den Beschluß des Landgerichts irrtümlich einem Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zugeordnet und in der Annahme, daß dagegen kein Rechtsmittel gegeben sei, gar keine Frist in den Kalender eingetragen.
b) Dieser Sachvortrag ist nicht geeignet, ein eigenes Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners auszuschließen. Zwar darf nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 43, 148), der sich der Senat für das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit angeschlossen hat (BayObLG NJW-RR 1987, 1424), ein Rechtsanwalt die Berechnung und Eintragung der in der betreffenden Kanzlei üblichen Fristen seinem gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten ...