Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachlasspflegschaft
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Nachlaßpfleger ist befugt, für die unbekannten Erben des nach der Erblasserin verstorbenen Sohnes als deren gesetzlicher Vertreter (§ 1960 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, § 1915 Abs. 1, § 1793 BGB) Beschwerde einzulegen. Der Nachlaßpfleger hat das Recht und die Pflicht, für die Sicherung des Nachlasses Sorge zu tragen und die Interessen der unbekannten Erben zu wahren
2. Zur Frage des Rücktritts vom Erbvertrag, wenn der Bedachte eine Körperverletzung gegenüber Erblasserin begeht.
Normenkette
BGB §§ 1793, 1915 Abs. 1, § 1960 Abs. 1, §§ 2294, 2333
Verfahrensgang
LG Memmingen (Beschluss vom 20.03.1989; Aktenzeichen 4 T 300/89) |
AG Neu-Ulm (Beschluss vom 29.11.1988; Aktenzeichen VI 545/87) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 wird der Beschluß des Landgerichts Memmingen vom 20. März 1989 aufgehoben.
II. Die von dem Beteiligten zu 1 für die Beteiligten zu 2 bis 5 eingelegten Beschwerden gegen den Beschluß des Amtsgerichts Neu-Ulm vom 29. November 1988 werden zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Erblasserin starb im Jahr 1987 im Alter von 78 Jahren. Ihr Ehemann war vor ihr verstorben. Die Beteiligten zu 2 bis 5 sind die Kinder der Erblasserin. Ein weiterer Sohn ist nach ihr verstorben.
Die Erblasserin hatte im Jahr 1977 durch notariellen Erbvertrag den nach ihr verstorbenen Sohn als ihren Alleinerben eingesetzt, jedoch zu notarieller Urkunde vom 24.1.1978 den Rücktritt erklärt und außerdem diesen Erbvertrag hilfsweise angefochten. Am 25.6.1987 errichtete sie ein eigenhändig geschriebenes und eigenhändig unterzeichnetes Testament. Darin hat sie bestimmt, daß der wesentliche Grundbesitz auf die Beteiligte zu 2 „übergehen” solle.
Gestutzt auf das Testament hat die Beteiligte zu 2 einen Erbschein beantragt, der sie als Alleinerbin ausweisen werde. Der für die zunächst unbekannten Erben im Nachlaßverfahren des nach der Erblasserin verstorbenen Sohnes bestellte Nachlaßpfleger (Beteiligter zu 1) hat einen Erbschein auf Grund des Erbvertrags beantragt mit der Begründung, weder für einen Rücktritt noch für eine Anfechtung seien die Voraussetzungen erfüllt.
Durch Beschluß vom 29.11.1988 hat das Nachlaßgericht den Antrag des Nachlaßpflegers zurückgewiesen; zugleich hat es einen Erbschein angekündigt, der die Beteiligte zu 2 als Alleinerbin ausweisen werde, falls nicht binnen zwei Wochen Beschwerde eingelegt werde. Zur Begründung hat das Nachlaßgericht ausgeführt, die Erblasserin habe wirksam den Rücktritt vom Erbvertrag erklärt wegen einer vorsätzlichen körperlichen Mißhandlung durch den nachverstorbenen Sohn. Das Testament sei wirksam. Darin habe die Erblasserin die Beteiligte zu 2 hinsichtlich ihres wesentlichen Vermögens als Alleinerbin eingesetzt. Gegen den Beschluß des Nachlaßgerichts hat der Nachlaßpfleger für die Erben des nach der Erblasserin verstorbenen Sohnes Beschwerde eingelegt. Die Beteiligten zu 3 bis 5 hatten zunächst ebenfalls Beschwerden eingelegt, diese jedoch zurückgenommen. Das Nachlaßgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme dem Rechtsmittel des Nachlaßpflegers nicht abgeholfen. Am 20.3.1989 hat das Landgericht die Entscheidung des Nachlaßgerichts aufgehoben (Nr. I) sowie dieses angewiesen, einen Erbschein zu erteilen, demzufolge die Erblasserin von dem nach ihr verstorbenen Sohn allein beerbt werde (Nr. II) Den Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren hat es auf 649.779 DM festgesetzt (Nr. III) Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Erbvertrag sei auf Grund des Rücktritts nicht unwirksam geworden, weil eine vorsätzliche Mißhandlung der Erblasserin durch den nachverstorbenen Sohn nicht feststehe. Die weiteren Rücktrittsgründe seien vom Beschwerdeführer bestritten worden. Insoweit trage die Beteiligte zu 2 die Darlegungs- und Beweislast. Auch für eine Anfechtung habe die Beteiligte zu 2 keine Anknüpfungstatsachen geliefert. Gegen den Beschluß des Landgerichts richtet sich die „sofortige weitere Beschwerde” der Beteiligten zu 2. Sie beantragt, den Beschluß des Landgerichts aufzuheben und die Entscheidung des Nachlaßgerichts wiederherzustellen.
Die Beteiligten des Rechtsbeschwerdeverfahrens haben mitgeteilt, daß die Nachlaßpflegschaft am 22.2.1989 aufgehoben worden ist und daß die Beteiligten zu 2 bis 5 die Erben des nach der Erblasserin verstorbenen Sohnes zu gleichen Anteilen seien. Außerdem sei zwischen den Beteiligten zu 2 bis 5 eine Vereinbarung über die Auseinandersetzung des Nachlasses der Erblasserin getroffen worden. Auf Grund dieser Vereinbarung erklärten sich die Beteiligten zu 3 bis 5 ausdrücklich einverstanden mit dem Beschluß des Nachlaßgerichts sowie mit einem Erbschein, der die Beteiligte zu 2 auf Grund des Testaments als Alleinerbin ausweise. Außerdem erklärten sie, daß alle Einwendungen und Beschwerden gegen den Beschluß des Nachlaßgerichts zurückgenommen werden, ebenso die „beim Bayerischen Obersten Landesgericht laufende Klage” über den Nachlaß ihrer Mutter.
Schließlich haben die Beteili...