Entscheidungsstichwort (Thema)
Testamentsauslegung
Leitsatz (redaktionell)
Ein Erblasser, der dem ursprünglich als Erben eingesetzten Pflichtteilsberechtigten nachträglich den Pflichtteil entzieht, bringt regelmäßig damit zum Ausdruck, daß er nicht mehr Erbe sein soll. Dieser Erfahrungssatz schließt aber nicht die Feststellung eines anderslautenden Erblasserwillens aus.
Normenkette
BGB § 133
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 07.06.1999; Aktenzeichen 13 T 2879/99) |
AG Nürnberg (Aktenzeichen VI 848/98) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 7. Juni 1999 wird zurückgewiesen.
II. Der Beteiligte zu 2 hat dem Beteiligten zu 1 die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf DM 147.500,– festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die im 78. Lebensjahr verstorbene Erblasserin war viermal verheiratet. Aus der ersten Ehe entstammt der Beteiligte zu 1; seine Tochter ist die Beteiligte zu 3. Der Beteiligte zu 2 ist der Sohn des zweiten Ehemanns aus dessen erster Ehe. Das wesentliche Vermögen der Erblasserin bestand in dem von ihr bewohnten Hausanwesen.
Am 27.8.1992 errichtete die Erblasserin ein notarielles Testament, in dem sie alle bisherigen letztwilligen Verfügungen aufhob und den Beteiligten zu 1 als Alleinerben einsetzte. Sie beschwerte ihn mit Sachvermächtnissen zugunsten der Beteiligten zu 2 und 3 und machte ihm zur Auflage, das Anwesen weder zu belasten noch darüber zu verfügen, insbesondere nicht zu veräußern. Weiter ordnete sie Testamentsvollstrek-kung an.
In Ziff. IV des notariellen Testaments heißt es:
Für den Fall, daß mein Sohn … (Beteiligter zu 1) die von mir unter Bedenkung des Besten für ihn und seine Familie verfügte Erbeinsetzung mit insbesondere Auflagen und Testamentsvollstreckungsanordnung nach meinem Ableben ausschlagen sollte, um den Pflichtteil zu verlangen, verfüge ich, … (Erblasserin), weiter was folgt:
Für diesen Fall sind sodann Erben je zur Häfte meine Enkeltochter, … (Beteiligte zu 3), und der Sohn meines früheren und verstorbenen Ehemannes …, nämlich … (Beteiligter zu 2) …
…
Abschließend möchte ich in diesem Zusammenhang nochmals zum Ausdruck bringen, daß es mein ausdrücklicher Wunsch und meine Vorstellung ist, daß mein Sohn aber die Erbeinsetzung nicht ausschlägt, also nicht den Pflichtteil geltend macht und diese bedingte Erbeinsetzung für den Fall einer Pflichtteilsgeltendmachung damit nicht zum Tragen kommt.
Für den Fall, daß der Beteiligte zu 1 aus sonstigen Gründen als Erbe ausscheidet, insbesondere vorverstirbt, hat die Erblasserin die Beteiligten zu 2 und 3 je zur Hälfte als Ersatzerben eingesetzt.
Am 20.9.1992 verfaßte die Erblasserin folgendes privatschriftliche Testament:
Teil-Änderung meines am 27.8.92 erstellten Testaments:
Nachdem mein Sohn … (Beteiligter zu 1) am Samstag, 6.9.1992 mich am Telefon wiederum mich in übelster Weise beschimpft hat und mir zum wiederholten Male eindeutig erklärte, daß er bei meinem Ableben sofort seinen Pflichtteil geltend machen würde – und er damit meinen letzten Wunsch und Willen bezüglich des Nichtverkaufes meines Anwesens umgehen würde – muß ich nun – so leid es mir tut – auf §§ 2333 auf einer Pflichtteils-Entziehung bestehen und zwar aus folgenden Gründen:
1.) Bisher nie verziehener Mordversuch am 10.7.1965 (Anlage).
2.) Er hat für seine inzwischen 25 Jahre alte Tochter nie selbst einen Pfennig Unterhalt bezahlt, ja die ihm von mir dafür gegebenen Beträge fast um die Hälfte gekürzt und die beiden letzten Jahre ganz unterschlagen.
3.) Er hat in all den Jahren nie auch nur eine kleine Geste der Zuneigung für alle ihn bis heute – zu seinem 52. Lebensjahr – erwiesenen Zuwendungen – z.B. im letzten Kalenderjahr in Höhe von ca. DM 40.000,– gezeigt. Er hat mir auch immer und immer wieder versichert, daß er je in mein Haus – ja nicht einmal in mein Familiengrab gehen würde. Ich empfinde das als unglaubliche Lieblosigkeit und selbst mein Hausarzt hat mir empfohlen ihn nicht mehr hereinzulassen, da diese ständigen Aufregungen Gift für meinen Gesundheitszustand seien.
4.) Mein Sohn kann sich nicht auf seine Unfallverletzungen berufen, da er vor seinem Unfall bereits seinen Vater und mich durch seinen Umgang mit übel beleumundeten Mädchen – die teilweise amtsbekannt u. verheiratet waren – sehr schikaniert und sich selbst jede anständige Zukunft verbaut hat.
5.) Darüber hinaus besteht für mich noch die Sorge, daß mein Sohn – sollte er eine größere Summe Bargeld zur Verfügung haben – diese so wie bisher – in kürzester Zeit verschleudert und dann eines Tages über die Sozialhilfe seiner Tochter zur Last fällt.
Sollte daher eine Pflichtteils-Entziehung aufgrund der oben angeführten Tatsachen nicht erfolgen können, so verfüge ich lt. § 2338 eine Beschränkung in guter Absicht, so daß nach dem Tode meines Sohnes seine gesetzlichen Erben den ihm evtl. zugesprochenen Pflichtteil als Nacherben erhalten sollen, vor allen Di...