Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache: Fristbeginn zur Einlegung der sofortigen Beschwerde. Wohnungseigentumssache. Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses
Leitsatz (amtlich)
Wird in einer Wohnungseigentumssache die Entscheidung des Amtsgerichts durch Verlesen der vollständigen Entscheidung samt Gründen in Gegenwart aller Beteiligten oder ihrer Vertreter bekannt gemacht, beginnt damit die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde.
Normenkette
WEG § 45 Abs. 1; FGG § 16 Abs. 3
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 1 T 570/01) |
AG München (Aktenzeichen 484 UR II 304/00) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 9. März 2001 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller haben als Gesamtschuldner die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 3.000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer von der weiteren Beteiligten verwalteten Wohnanlage.
Am 28.3.2000 beschlossen die Wohnungseigentümer unter anderem, den von dem Antragsgegner zu 1 errichteten Wintergarten unter bestimmten Voraussetzungen zu dulden.
Die Antragsteller haben beantragt, diesen Eigentümerbeschluß für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 29.11.2000, in dem sämtliche Beteiligte anwesend oder vertreten waren, den Antrag abgewiesen; Tenor und Gründe wurden im Termin verkündet. Gegen den ihnen am 15.12.2000 zugestellten Beschluß haben die durch einen Rechtsanwalt vertretenen Antragsteller am 22.12.2000 sofortige Beschwerde eingelegt und vorsorglich um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist nachgesucht. Das Landgericht hat durch Beschluß vom 9.3.2001 den Antragstellern Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und die sofortige Beschwerde verworfen. Dagegen richtet sich deren sofortige weitere Beschwerde.
II.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat ausgeführt: Der Amtsrichter habe den Beschluß durch Vorlesen verkündet. Zuzugeben sei, daß die Begründung des Beschlusses äußerst knapp gehalten sei. Mit der bejahten Verwirkung eines Beseitigungsanspruchs setze sich das Amtsgericht nur völlig unzureichend auseinander, indem festgestellt werde, über zehn Jahre sei nicht gegen die Verglasung des Balkons vorgegangen worden; die Entscheidung sei daher willkürlich. Entscheidend sei für den Lauf der Rechtsmittelfrist allein, daß die Entscheidung vollständig vorgelesen worden sei. Auf ihre inhaltliche Vollständigkeit und Richtigkeit komme es nicht an. Ohne Bedeutung sei auch, daß die Zustellung des Beschlusses verfügt und ausgeführt worden sei. Der Umstand, daß mit der Verkündung des vollständigen Beschlusses von einer langjährigen Praxis des Wohnungseigentumsgerichts abgewichen worden sei, lasse die Fristversäumung nicht als von den durch einen Rechtsanwalt vertretenen Antragstellern unverschuldet erscheinen.
2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde in Wohnungseigentums Sachen beträgt zwei Wochen und beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem die angefochtene Entscheidung dem Beschwerdeführer bekannt gemacht worden ist (§ 43 Abs. 1, § 45 Abs. 1 WEG, § 22 Abs. 1 FGG). Da mit der Bekanntmachung der Entscheidung des Amtsgerichts eine Frist beginnt, ist die Entscheidung grundsätzlich durch Zustellung nach den für die Zustellung von Amts wegen geltenden Vorschriften der Zivilprozeßordnung (vgl. §§ 208 ff., §§ 166 ff. ZPO) bekannt zu machen (§ 16 Abs. 2 Satz 1 FGG). Einem Anwesenden kann die Entscheidung jedoch auch zu Protokoll bekannt gemacht werden (§ 16 Abs. 3 Satz 1 FGG). In diesem Fall muß die vollständige Entscheidung einschließlich der Gründe durch Verlesen in Gegenwart aller Beteiligten oder ihrer Vertreter bekannt gemacht werden; damit wird die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde in Gang gesetzt (BayObLG NZM 1999, 575 m.w.N.).
b) Die Voraussetzungen einer gemäß § 16 Abs. 3 FGG wirksamen Bekanntmachung der Entscheidung des Amtsgerichts liegen hier vor, so daß damit die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde in Gang gesetzt wurde. Insbesondere ist die Entscheidung des Amtsgerichts mit Gründen versehen. Der Entscheidung kann entnommen werden, daß der Antrag auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses, der die Duldung des Wintergartens zum Gegenstand hat, abgelehnt wurde, weil das Amtsgericht einen Anspruch auf Beseitigung des Wintergartens als verwirkt ansieht. Die Verwirkung wird damit begründet, daß über 10 Jahre lang nichts gegen den Wintergarten unternommen worden sei. Schließlich sei der Wintergarten auch des halb hinzunehmen, weil er nicht besonders auffällig sei. Es kann dahinstehen, ob diese Gründe ausreichend oder insbesondere inhaltlich zutreffend sind. Etwaige Mängel in dieser Hinsicht sind mit einem Rechtsmittel geltend zu ...