Leitsatz (amtlich)
Zu den Beweisanforderungen an ein Brieftestament, an die Existenz eines Testaments, dessen Urkunde nicht vorgelegt werden kann und an den Nachweis eines Anfechtungsgrundes bei behauptetem Motivirrtum.
Normenkette
BGB § 2078 Abs. 2, § 2247 Abs. 1, §§ 2355, 2356 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Weilheim (Aktenzeichen VI 111/01) |
LG München II (Aktenzeichen 6 T 433/02) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des LG München II vom 16.7.2002 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligte zu 2) hat die der Beteiligten zu 1) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 56.242 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Erblasser verstarb am 14.5.2001 im Alter von 87 Jahren. Er war in kinderloser Ehe verheiratet; seine Ehefrau verstarb am 25.2.202. Die Beteiligten zu 1) und 2 sind Nichten des Erblassers, der Beteiligte zu 3) ist ein Großneffe, die Beteiligten zu 4 bis 6 sind Geschwister des Erblassers.
Der Erblasser verfasste am 16.10.1993 folgendes handschriftliche Testament:
Ich vermache mein gesamtes Eigentum meiner Nichte … (Beteiligte zu 1). Die Beteiligte zu 2) hat zwei an sie gerichtete, handschriftlich verfasste Briefe des Erblassers vom 5.8.1997 und 4.10.1997 dem Nachlassgericht vorgelegt. Das Schreiben vom 5.8.1997 ist lediglich auf der Durchschrift mit dem Vornamen des Erblassers und einer Adresse in Orginalschrift unterzeichnet. Das Schreiben vom 4.10.1997 endet mit „Dein Onkel”. Die Beteiligte zu 1) legte dem Nachlassgericht ein handschriftliches Schreiben des Erblassers an seine Schwägerin vom 15.9.1998 vor, das der Erblasser unterschrieben hatte.
Der Brief vom 5.8.1997 lautet – soweit lesbar – wie folgt:…
Der Brief vom 4.10.1997 an die Beteiligte zu 2) lautet:
Im Schreiben vom 15.9.1998 an die Schwägerin berichtet der Erblasser von einem Zusammenbruch und führt dann aus: …
Danach folgen im Schreiben vom 15.9.1998 Ausführungen zur Höhe und Zusammensetzung der Pensionsbezüge und zur Höhe der laufenden Wohngeldkosten für die Eigentumswohnung …
Die Beteiligte zu 1) beantragte einen Erbschein, der sie als Alleinerbin aufgrund des Testaments vom 16.10.1993 ausweisen sollte. Die Beteiligte zu 2) trat dem entgegen. Sie ist der Auffassung, dass die Schreiben des Erblassers vom 5.8.1997, 4.10.1997 und 15.9.1998 Testamente enthielten, nach denen die Ehefrau des Erblassers, sie selbst, der Beteiligte zu 3) und die Beteiligte zu 1) Miterben zu je 1/4 geworden seien.
Am 2.1.2002 erließ das Nachlassgericht einen Vorbescheid, mit welchem es die Erteilung eines Erbscheins an die Beteiligte zu 1) als Alleinerbin ankündigte. Gegen diesen Beschluss legten die Beteiligten zu 2) und 3 Beschwerde ein. Außerdem erklärte die Beteiligte zu 2) mit Schreiben vom 14.1.2002, eingegangen beim Nachlassgericht am 15.1.2002, die Anfechtung des Testaments vom 16.10.1993. Die Beteiligte zu 1) habe den Erblasser gedrängt, ein Testament zu ihren Gunsten zu errichten. Sie habe dem Erblasser Versprechungen gemacht, die sie später nicht eingehalten habe.
Die Beteiligte zu 2) trägt weiter vor, der Erblasser und seine Ehefrau hätten Ende Oktober Anfang November 1993 ein gemeinschaftliches Testament errichtet, wonach die Ehefrau den Erblasser zunächst beerben sollte und erst nach ihr – nicht näher bekannte – Verwandte zu Schlusserben eingesetzt worden seien.
Das LG hat die Beteiligten zu 1) bis 3 persönlich angehört und den zum Nachlasspfleger bestellten ehemaligen Betreuer des Erblassers als Zeugen vernommen. Mit Beschl. v. 16.7.2002 hat es die Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 3 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat die Beteiligte zu 2) durch Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 27.9.2002 weitere Beschwerde eingelegt.
II. Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.
1. Das LG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Maßgeblich für die Erbfolge sei das formgerecht errichtete Testament des Erblassers vom 16.10.1993. Die Briefe des Erblassers an die Beteiligte zu 2) vom 5.8.1997 und 4.10.1997 enthielten keine letztwilligen Verfügungen, da die dort gewählten Formulierungen nicht auf einen Testierwillen des Erblassers schließen ließen. Der Brief des Erblassers vom 15.9.1998 an seine Schwägerin enthalte keine anderweitige Erbeinsetzung, selbst wenn er als letztwillige Verfügung zu verstehen sei. Er ergänze allenfalls das Testament vom 16.10.1993 um die Anordnung von Geldvermächtnissen. Die Existenz eines gemeinschaftlichen Testaments des Erblassers und seiner Ehefrau, das nach der Behauptung der Beteiligten zu 2) und 3 nach dem 16.10.1993 errichtet worden sein soll, sei nicht nachgewiesen. Die Testamentsanfechtung der Beteiligten zu 2) greife nicht durch, weil auch nach dem Vorbringen der Beteiligten zu 2) nicht erkennbar sei, über welche künftigen Vorgänge der Erblasser geirrt haben soll; auch sei nicht ersichtlich, dass der Erblasser widerrechtlich durch Drohung zur Abfassung des Testaments vom 16.10.1...