Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung eines Testaments

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Testamentsauslegung, wenn die Erblasserin über ihren gesamten Nachlaß verfügt, mehreren Einzelpersonen bestimmte Geldbeträge, ihr Hausgrundstück aber „einem Heim für körperbehinderte Kinder in München” zugedacht hat.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 2065, 2072, 2084

 

Verfahrensgang

LG München I (Zwischenurteil vom 16.06.1999; Aktenzeichen 16 T 3483/99)

AG München (Zwischenurteil vom 02.10.1998; Aktenzeichen 60 VI 14410/93)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3 gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 16. Juni 1999 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligte zu 3 hat die den Beteiligten zu 14 und 15 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 72.500 DM festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die 1993 im Alter von 72 Jahren verstorbene Erblasserin war verwitwet. Ihre einzige Tochter war 1983 kinderlos vorverstorben. Der Beteiligte zu 2 ist der Schwiegersohn der Erblasserin, die Beteiligte zu 1 ist eine Nichte des Ehemannes der Erblasserin. Als gesetzliche Erben kommen die Abkömmlinge der Großeltern der Erblasserin (Beteiligte zu 3 bis 13) in Betracht.

Die Erblasserin hat am 1.3.1991 ein handschriftliches Testament errichtet. Es lautet wie folgt:

  • Der Nachlaß soll wie folgt aufgeteilt werden: Erben soll meineNichte (Beteiligte zu 1) 50.000 DM sowie ihre beiden leiblichen Kinder …je 40.000 DM …. Ebenfalls soll meine Nichte all meinen Schmuck, das Silberbesteck, Kleidung und Diverses für das sie Verwendung findet bekommen.
  • Mein Schwiegersohn (Beteiligter zu 2) … hat bereits sein ihm zustehenden Erbanteil 1987 erhalten …. Er soll aber trotzdem30.000 DM bekommen …. Außerdem 10.000 DM zur Grabpflege. Seine kleine Tochter … soll ebenfalls 30.000 DM bekommen …. … Alle musik. geräte: … gehören … (Beteiligter zu 2).
  • Die Bastelgruppe der Gemeinde H. … die elektr. Tischnähmaschine sowie alle Bastelsachen …
  • Erben soll das Reihenhaus in H. … ein Heim für körperbehinderte Kinder in München.
  • Sollte noch ein Barvermögen übrig bleiben, so soll das dem Altenheim in „H.” (Beteiligter zu 15) zugute kommen.
  • Über den noch übrigen Rest der Gegenstände in meinem Haus kann die Nachbarschaftshilfe … frei verfügen.

Der Nachlaß bestand im wesentlichen aus dem Reihenhaus in H., Bankguthaben in Höhe von rund 194.000 DM sowie Bargeld. Das Nachlaßgericht hat Nachlaßpflegschaft angeordnet. Der Nachlaßpfleger hat das Reihenhaus zum Preis von 580.000 DM veräußert und die im Testament zugedachten Geldbeträge an die von der Erblasserin genannten Personen ausbezahlt.

Die Beteiligte zu 3 hat einen gemeinschaftlichen Teilerbschein beantragt, der sie als gesetzliche Erbin zu 1/8 ausweisen soll. Sie hält die Verfügung der Erblasserin hinsichtlich des Reihenhauses für zu unbestimmt und deshalb unwirksam. Dem ist die Landeshauptstadt München (Beteiligte zu 14) entgegengetreten. Sie meint, sie erfülle die im Testament genannten Voraussetzungen dadurch, daß sie in der Rechtsform einer kommunal verwalteten rechtsfähigen Stiftung das Heim in T. (Landkreis München) betreibe, in dem auch körperbehinderte Kinder aus München betreut werden.

Das Nachlaßgericht hat nach Durchführung von Ermittlungen mit Beschluß vom 2.10.1998 den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 3 zurückgewiesen.

Am 26.1.1999 hat die Landeshauptstadt München beim Nachlaßgericht einen Erbschein aufgrund des Testaments vom 1.3.1991 beantragt. Daraufhin hat die Beteiligte zu 3 gegen den Beschluß des Nachlaßgerichts vom 2.10.1998 Beschwerde eingelegt. Das Landgericht München I hat mit Beschluß vom 16.6.1999 die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3. Die Beteiligen zu 14 und 15 sind dem Rechtsmittel entgegengetreten.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig. In der Sache hat sie keinen Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt:

Die Bestimmung über das Reihenhaus enthalte eine Erbeinsetzung. Dagegen seien die zahlreichen Zuwendungen einzelner Geldbeträge als Vermächtnisse anzusehen. Das Testament vom 1.3.1991 sei auslegungsbedürftig, da die Erblasserin nicht eindeutig festgelegt habe, wer den wesentlichen Nachlaßgegenstand, nämlich das Reihenhaus, erhalten solle. Das Testament sei auch auslegungsfähig und keineswegs so unbestimmt, daß die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung erhalten solle, einem anderen überlassen bleibe. Die Erblasserin habe unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß sie den wesentlichen Vermögensgegenstand einem „Heim für körperbehinderte Kinder in München” zukommen lassen wolle. Dies zeige, daß sie präzise Vorstellungen gehabt habe, wer in den Genuß ihres Vermögens kommen solle. Die Landeshauptstadt München habe dargelegt, daß im Heim in T. (Landkreis München) auch körperbehinderte Münchner Kinder betreut würden. Die vom Nachlaßgericht vorgenommene Auslegung, die Landeshauptstadt München sei als Trägerin des Heims Alleinerbin, ...

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