Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeitsbestimmung
Leitsatz (amtlich)
Hat eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ihre Geschäftstätigkeit im Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung vollständig eingestellt und verweist das Insolvenzgericht, in dessen Bezirk die vom Eröffnungsantrag betroffene Gesellschaft ihren Sitz hat, das Verfahren an das Gericht, in dessen Bezirk der Aufbewahrungsort der Geschäftsbücher der Schuldnerin lediglich vermutet wird, so bindet die Verweisung wegen objektiver Willkür nicht.
Normenkette
EGZPO § 9; GmbHG § 35 Abs. 1 S. 2, § 60 Abs. 1 Nr. 5, § 66 Abs. 1, § 67; InsO §§ 4, 10 Abs. 2 S. 2; ZPO §§ 12-13, 17, 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2, § 281 Abs. 2 S. 2, § 329 Abs. 2 S. 1, § 495
Tenor
Örtlich zuständiges Gericht ist das Amtsgericht Würzburg (Abteilung für Insolvenzsachen).
Gründe
I. Mit Gläubigerantrag, eingegangen beim Amtsgericht Würzburg - Insolvenzgericht - am 22. Januar 2020, ersuchte die Antragstellerin um Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin, einer Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) mit satzungsmäßigem und im Handelsregister eingetragenem Sitz im Bezirk des angerufenen Gerichts. Zur Begründung des Antrags ist angegeben, die Schuldnerin sei gemäß beigefügter Forderungsaufstellung mit der Zahlung von Sozialversicherungsabgaben für den Zeitraum vom 1. November 2018 bis 31. Dezember 2019 rückständig. In diesem Zeitraum habe die Schuldnerin die in der Anlage zur Forderungsaufstellung namentlich genannte Arbeitnehmerin beschäftigt. Die Beiträge zur Sozialversicherung seien geschätzt und mit Bescheid vom 5. Dezember 2019 festgestellt worden, weil die Schuldnerin keine Beitragsnachweise eingereicht habe. Von deren Zahlungsunfähigkeit sei aufgrund der ausgebliebenen Zahlungen auszugehen.
Gemäß dem am 23. Januar 2020 abgerufenen Inhalt des Handelsregisterauszugs verfügt die Schuldnerin über keine amtierende Geschäftsführung, nachdem die zuletzt einzige Fremdgeschäftsführerin ihr Amt niedergelegt hat und ihr Ausscheiden am 13. Januar 2020 im Handelsregister eingetragen worden ist. Als Geschäftsanschrift der Schuldnerin ist unverändert eine Adresse im Bezirk des Amtsgerichts Würzburg verzeichnet. Die Anteile an der Schuldnerin werden laut der beim Handelsregister verwahrten Liste der Gesellschafter von einer natürlichen Person und - mehrheitlich - von einer GmbH gehalten, und zwar mit Gesamtbeteiligungen von 30% bzw. 70% am Stammkapital. Laut Handelsregistereintrag vom 26. November 2019 wurde hinsichtlich der GmbH mit Beschluss vom 28. Oktober 2019 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt. Am 26. November 2019 wurde deren früherer Geschäftsführer, zugleich Alleingesellschafter der GmbH, als Liquidator eingetragen, am 7. Januar 2020 von Amts wegen die Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit.
Ohne vorherige Zustellung des Eröffnungsantrags wies das Insolvenzgericht Würzburg die Antragstellerin mit Verfügung vom 31. Januar 2020 darauf hin, dass es aus seiner Sicht für die Durchführung des Verfahrens örtlich nicht zuständig sei. In erster Linie richte sich die Zuständigkeit nach dem allgemeinen Gerichtsstand, also dem Sitz oder Wohnsitz der Schuldnerin. Befinde sich der Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit der Schuldnerin an einem anderen Ort, so sei dieser maßgeblich. Aus einem früheren Verfahren aus dem Jahr 2019 und dem damals eingeholten Sachverständigengutachten sei bekannt, dass die Schuldnerin von ihrer Geschäftsadresse aus keine selbständige Tätigkeit betrieben und dort keine Geschäftsräume angemietet habe. Die Firmenunterlagen befänden sich an einer Adresse in Berlin. Die Antragstellerin erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme sowie zur Stellung eines Verweisungsantrags. Sie beantragte, ohne inhaltlich auf die Hinweise einzugehen, mit Schreiben vom 10. Februar 2020 die Verweisung an das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg.
Mit Beschluss vom 13. Februar 2020 erklärte sich das Amtsgericht Würzburg - Insolvenzgericht - für örtlich unzuständig und verwies das Verfahren an das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg mit der Begründung, dort befinde sich der Mittelpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit der Schuldnerin. Das Amtsgericht Würzburg sei örtlich nicht zuständig, denn in seinem Bezirk habe die Schuldnerin gemäß den im vorangegangenen Verfahren gewonnenen Erkenntnissen nie einen Geschäftsbetrieb geführt. Die Geschäftsunterlagen seien an den in Berlin gelegenen Wohnsitz der Geschäftsführerin der Schuldnerin verbracht worden.
Dieser Beschluss wurde neben der Antragstellerin dem Alleingesellschafter der Mehrheitsgesellschafterin sowie der Minderheitsgesellschafterin der Schuldnerin jeweils für diese an der jeweiligen Privatanschrift formlos mitgeteilt.
Zur Akte wurden Ablichtungen aus dem Verfahren über den Eigenantrag der Schuldnerin aus dem Jahr 2019 genommen. Dieses Verfahren war mit Beschluss vom 20. September 2019, rechtskräftig seit 20. November 2019, mit einer Antragsabweisung wegen örtlicher Unzuständig...