Entscheidungsstichwort (Thema)
Gebührenrecht
Leitsatz (redaktionell)
Der Grundsatz, daß für die anwaltlichen Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren wie dem Erbscheinsverfahren der durch das Gericht festgesetzte Geschäftswert maßgebend ist (§ 9 Abs. 1 BRAGO), gilt nur, soweit sich der Gegenstand der gerichtlichen Tätigkeit mit dem der anwaltlichen Tätigkeit deckt. Stimmen die Gegenstände nicht überein, so sind die Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit gemäß § 7 Abs. 1 BRAGO nach deren eigenem Wert zu berechnen.
Normenkette
BRAGO § 9 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Würzburg (Beschluss vom 21.12.1993; Aktenzeichen 3 T 1581/91) |
AG Gemünden am Main (Aktenzeichen VI 538/89) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluß des Landgerichts Würzburg vom 21. Dezember 1993 aufgehoben.
II. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2 im Verfahren der Beschwerde und der weiteren Beschwerde wird jeweils auf 5.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der am 30.6.1989 verstorbene, verwitwete Erblasser hat in einem eigenhändigen Testament drei seiner Kinder, darunter den Beteiligten zu 1, zu Erben eingesetzt. Die Nachkommen eines vorverstorbenen Sohnes, nämlich die Beteiligte zu 2 als dessen eheliches Kind sowie zehn nichteheliche Kinder, sind nach dem Testament ausdrücklich enterbt. Der Aktivnachlaß besteht im wesentlichen aus Grundbesitz in H. im Wert von ca. 182.000 DM, der nach dem Testament dem Beteiligten zu 1 zugewiesen ist, einem Wohnhaus in K. im Wert von ca. 145.000 DM, das die beiden anderen Kinder erhalten sollen, sowie im Testament nicht ausdrücklich angesprochenen Bankguthaben im Wert von ca. 141.000 DM.
Das Nachlaßgericht hatte in einem Vorbescheid die Erteilung eines Erbscheins angekündigt, wonach die im Testament bedachten Kinder Erben je zu ein Drittel sein sollten. Hiergegen hatte der Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt mit der Begründung, die Erbquoten seien nach dem Verhältnis der Werte des jeweils zugewendeten Grundbesitzes zu bestimmen, so daß er Erbe zu mehr als der Hälfte geworden sei. Das Landgericht hat das Rechtsmittel zurückgewiesen, auch die hiergegen eingelegte weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 ist ohne Erfolg geblieben (Senatsbeschluß vom 4.11.1992 1Z BR 70/92).
Die Beteiligte zu 2 hatte sich im Beschwerdeverfahren und Rechtsbeschwerdeverfahren jeweils zugunsten der im Vorbescheid vertretenen Testamentsauslegung geäußert. In den Entscheidungen des Landgerichts und des Senats ist jeweils angeordnet, daß der Beteiligte zu 1 die der Beteiligten zu 2 in diesen Verfahren entstandenen notwendigen Kosten zu erstatten hat. Der Geschäftswert für beide Verfahren ist jeweils auf 60.000 DM festgesetzt. Das Amtsgericht hat auf der Grundlage dieser Festsetzungen durch Beschluß vom 27.5.1993 die der Beteiligten zu 2 zu erstattenden Kosten auf 1.674,66 DM festgesetzt.
Mit Schriftsatz vom 12.8.1993 hat der Beteiligte zu 1 die Festsetzung des Gegenstandswert für die Bemessung der Anwaltsgebühren hinsichtlich der Beteiligten zu 2 beantragt. Die Beteiligte zu 2 ist dem entgegengetreten. Mit Beschluß vom 21.12.1993 hat das Landgericht den Antrag für das Beschwerdeverfahren zurückgewiesen. Es hält ihn für unzulässig, weil der insoweit festgesetzte Geschäftswert auch für die anwaltliche Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2 maßgebend sei. Gegen diese Entscheidung richtet sich das Rechtsmittel des Beteiligten zu 1.
Entscheidungsgründe
II.
Das als befristete Erstbeschwerde gemäß § 10 Abs.3 Satz 1 BRAGO zu wertende Rechtsmittel, über das in entsprechender Anwendung des § 199 Abs.2 Satz 1 FGG das Bayerische Oberste Landesgericht entscheidet (§ 10 Abs.3 Satz 4 BRAGO; BayObLGZ 1982, 20/23), ist zulässig. Es führt zur Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts und zur Festsetzung des Gegenstandswerts durch den Senat.
1. Der Antrag des Beteiligten zu 1, den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2 selbständig festzusetzen, ist entgegen der Auffassung des Landgerichts zulässig.
a) Die Gebühren des Verfahrensbevollmächtigten berechnen sich hier nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert (§ 10 Abs.1 Satz 1 BRAGO). Denn der Grundsatz, daß für die anwaltlichen Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren wie dem Erbscheinsverfahren der durch das Gericht festgesetzte Geschäftswert maßgebend ist (§ 9 Abs.1 BRAGO), gilt nur, soweit sich der Gegenstand der gerichtlichen Tätigkeit mit dem der anwaltlichen Tätigkeit deckt. Stimmen die Gegenstände nicht überein, so sind die Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit gemäß § 7 Abs.1 BRAGO nach deren eigenem Wert zu berechnen, ein Grundsatz, den § 9 Abs.1 BRAGO nicht durchbricht (BGH NJW 1968, 2334; BayObLG JurBüro 1993, 34).
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens ist, ebenso wie der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde (vgl. hierzu den Senatsbeschluß vom 4.11.1992 S. 10), nach dem wirtschaftlichen Interesse zu bemessen, ...