Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung eines Testaments

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Kriterien für das Vorliegen eines Testierwillens, wenn der Erblasser in einem Brief ausführt, daß er „für den Fall eines schnellen Todes seinen Besitz vererben möchte”.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 2247

 

Verfahrensgang

LG Traunstein (Entscheidung vom 22.05.2000; Aktenzeichen 8 T 121/00)

AG Rosenheim (Entscheidung vom 30.09.1999; Aktenzeichen VI 1002/96)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 7 gegen den Beschluß des Landgerichts Traunstein vom 22. Mai 2000 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten zu 7 haben den Beteiligten zu 1 bis 6 die im Verfahren der weiteren. Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf DM 1.032.930,– festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Erblasser war katholischer Pfarrer im Ruhestand.

Die Beteiligten zu 7 bis 18 sind Verwandte des Erblassers und kommen im Fall der gesetzlichen Erbfolge als Erben in Betracht. Die Beteiligten zu 1 bis 6 leiten ihre Erbenstellung aus einer letztwilligen Verfügung des Erblassers her.

Im Sommer 1996 hatte das Erzbischöfliche Ordinariat dem Erblasser einen Auszug aus seiner Personalakte übersandt und angefragt, ob die darin enthaltenen Personaldaten zutreffend seien. Der Erblasser antwortete hierauf mit eigenhändig geschriebenem und unterschriebenem Schreiben vom 29.7.1996, bei dem Erzbischöflichen Ordinariat eingegangen am 30.7.1996. Das Antwortschreiben des Erblassers umfaßt eine Seite und enthält in seinem ersten Teil Ausführungen des Erblassers zu seiner Personalakte. Der zweite Teil des Schreibens vom 29.7.1996 hat folgenden Wortlaut:

Zu erwähnen wäre noch, daß für den Fall eines schnellen Todes … (Erblasser) seinen Besitz der Kath. Kirche vererben mochte; z. B. Haus A-Straße an die Kath. Pfarrkirchenstiftung … (Beteiligte zu 2); Haus B an die Kath. Pfarrkirchenstiftung … (Beteiligte zu 1); Haus C an die Kath. Pfarrkirchenstiftung … (Beteiligte zu 3) (dieses Haus möchte die Mieterfamilie gerne kaufen), Eigentumswohnung D-Straße 14 an die Pfarrkirchenstiftung … (Beteiligte zu 4); Haus E an die Pfarrkirchenstiftung … (Beteiligte zu 5). Etwaiges Geld an den Missions-Verein (Beteiligter zu 6).

Die Rückseite dieses Briefblattes weist außer dem Erzbischöflichen Ordinariat als Adressat die Wörter „Zu erganzen” auf; diese Wörter sind durchgestrichen.

Im Nachlaß des Erblassers befand sich ein vom Erblasser eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Schriftstück mit Datum 29.7.1996, das bis auf wenige Ausnahmen in Form und Inhalt mit dem an das Erzbischöfliche Ordinariat gesandten Schreiben wörtlich übereinstimmt. Im oben zitierten Text liegen folgende Abweichungen vor:

1. In der ersten Zeile fehlt zwischen den Wörtern „zu erwähnen” und „noch” das Wort „wäre”.

2. Am Ende des ersten Halbsatzes steht „möchte” statt „mochte”.

3. Im Text auf der Vorderseite fehlen die Worte „Haus B an die Kath. Pfarrkirchenstiftung …”. Statt dessen ist auf der Rückseite vermerkt: „Zu ergänzen: Haus B an die Kath Pfarrkirchenstiftung …”.

Für Grundbuchberichtigungszwecke erteilte das Amtsgericht am 27.2.1998 einen Erbschein, wonach der Erblasser von den Beteiligten zu 1 bis 6 nach im einzelnen festgelegten Quoten beerbt worden ist:

Auf Antrag der Beteiligten zu 7, die sich gegen die Wirksamkeit des Testaments vom 29.7.1996 gewandt hatte, zog das Amtsgericht mit Beschluß vom 29.6.1999 den Erbschein vom 27.2.1998 wegen Unrichtigkeit ein. Das Amtsgericht war nunmehr der Auffassung, das Schreiben des Erblassers vom 29.7.1996 enthalte keine verbindliche letztwillige Verfügung des Erblassers, sondern lediglich eine Absichtserklärung; es sei daher von gesetzlicher Erbfolge auszugehen. Am 30.9.1999 erteilte das Amtsgericht einen entsprechenden Erbschein; danach sei der Erblasser von den Beteiligten zu 7 bis 18 nach im einzelnen festgelegten Quoten beerbt worden.

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1, 2, 3 und 5 wies das Landgericht mit Beschluß vom 22.5.2000 das Amtsgericht an, den Erbschein vom 30.9.1999 einzuziehen und einen dem eingezogenen Erbschein vom 27.2.1998 inhaltlich entsprechenden Erbschein neu zu erteilen.

Das Amtsgericht hat den Erbschein vom 30.9.1999 am 8.6.2000 als unrichtig eingezogen.

Gegen den Beschluß des Landgerichts richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 7. Ziel des Rechtsmittels ist die Erteilung eines neuen mit dem eingezogenen Erbschein vom 30.9.1999 gleichlautenden Erbscheins und die Aufhebung des entgegenstehenden Beschlusses des Landgerichts.

II.

Die zulässige weitere Beschwerde ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat im wesentlichen ausgeführt, bei dem Schreiben vom 29.7.1996 handele es sich um ein formwirksames Testament, mit dem der Erblasser die Beteiligten zu 1 bis 6 zu Erben bestimmt habe. Die bei einem Brieftestament der vorliegenden Art bezüglich des Testierwillens des Erblassers zu stellenden strengen Anforderungen seien erfüllt.

Der Erblasser sei 60 Jahre katholischer Priester gewesen und habe zu seinen...

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