Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschwerdeberechtigung eines Angehörigen
Leitsatz (amtlich)
Regt ein beschwerdeberechtigter Angehöriger (§ 69g Abs. 1 FGG) eine Anordnung der Betreuung an, so ist ihm auch im Beschwerdeverfahren rechtliches Gehör zu gewähren, wenn das Beschwerdegericht die Betreuungsanordnung wieder aufheben will.
Normenkette
FGG § 69g Abs. 1, § 5; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Traunstein (Aktenzeichen 4 T 2240/01) |
AG Rosenheim (Aktenzeichen XVII 161/01) |
Tenor
I. Die Rechtsmittel gegen den Beschluss des LG Traunstein vom 7.8.2001 werden zurückgewiesen.
II. Die weitere Beteiligte hat die dem Betroffenen im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 5.000 DM festgesetzt.
Gründe
I. Gemäß einer Anregung der Schwester des Betroffenen ordnete das AG mit Beschluss vom 23.3.2001 die Betreuung des Betroffenen mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge sowie Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post an. Das AG ordnete ferner einen Einwilligungsvorbehalt betreffend den Aufgabenkreis Vermögenssorge an. Gegen den Beschluss des AG legte der Betroffene Beschwerde ein. Das LG hat hierauf den Beschluss des AG mit Beschluss vom 7.8.2001 aufgehoben. Hiergegen wendet sich die Schwester des Betroffenen mit ihren als sofortige weitere Beschwerde bezeichneten Rechtsmitteln.
II. 1. Die Rechtsmittel sind zulässig.
Die Beschwerdeführerin ist als Schwester des Betroffenen beschwerdebefugt. Beschwerdeberechtigt sind u.a. Verfahrensbeteiligte, die keine Erstbeschwerde eingelegt haben, wenn für sie durch die Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung die Voraussetzungen des § 69g Abs. 1 FGG erfüllt sind (vgl. Bassenge/Herbst, § 27 FGG Rz. 8 m.w.N.). So liegt es im vorliegenden Fall. Die Beschwerdeführerin war als Schwester des Betroffenen befugt, gegen eine Entscheidung, mit der die Bestellung eines Betreuers für den Betroffenen sowie die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts abgelehnt wurde, Beschwerde einzulegen (§ 69g Abs. 1 FGG).
2. Die Rechtsmittel haben in der Sache keinen Erfolg.
a) Das LG hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Die Beschwerde des Betroffenen sei begründet, weil die Voraussetzungen für die Anordnung einer Betreuung nicht vorgelegen hätten. Zwar liege bei dem Betroffenen laut Gutachten des Sachverständigen eine psychische Krankheit vor. Die freie Willensbildung des Betroffenen sei aber infolge dieser Erkrankung nicht ausgeschlossen; der Betroffene sei vielmehr sowohl nach den Angaben des von der Kammer gehörten Sachverständigen als auch nach dem Eindruck der Kammer selbst zu einer eigenen, tragfähigen Willensentscheidung fähig. Damit sei die Anordnung einer Betreuung gegen den Willen des Betroffenen nicht möglich.
b) Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) stand.
aa) Kann ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das VormG für ihn einen Betreuer (§ 1896 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Bestellung eines Betreuers gegen den Willen des Betroffenen setzt daneben voraus, dass der Betroffene aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung seinen Willen nicht frei bestimmen kann (vgl. BayObLG v. 1.10.1997 – 3Z BR 358/97, FamRZ 1998, 454 [455]; Palandt/Diederichsen, BGB, 60. Aufl., vor § 1896 Rz. 11).
bb) Im vorliegenden Fall hat das LG nach Anhörung des Sachverständigen und des Betroffenen verfahrensfehlerfrei und damit für das Gericht der weiteren Beschwerde bindend (§ 27 Abs. 1 FGG, § 561 Abs. 2 ZPO) festgestellt, dass die freie Willensbildung beim Betroffenen trotz einer psychischen Erkrankung nicht ausgeschlossen ist. Das LG hat sich dabei dezidiert auch damit auseinandergesetzt, dass der Betroffene nach strengen religiösen Glaubensvorstellungen lebt und für den Führer der Glaubensvereinigung, zu der er Kontakt unterhält, bzw. dessen Familie vermögenswerte Leistungen gegen freie Kost und Logis erbracht hat. Rechtsfehlerfrei ist das LG hiernach zu dem Schluss gekommen, dass die Voraussetzungen einer sog. Zwangsbetreuung im vorliegenden Falle nicht vorliegen.
Ein Verstoß gegen das Amtsermittlungsprinzip (§ 12 FGG) ist nicht ersichtlich. Der Tatrichter bestimmt den Umfang seiner Ermittlungen nach pflichtgemäßem Ermessen. Er muss nicht allen nur denkbaren Ermittlungsansätzen nachgehen, sondern darf die Ermittlungen einstellen, wenn ihre Fortsetzung ein die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht mehr erwarten lässt (vgl. Bassenge/Herbst, § 12 FGG Rz. 13). Hiernach durfte sich das LG im vorliegenden Fall auf die getätigten Ermittlungen beschränken. Der Erholung eines weiteren Gutachtens zu Lehre und Praxis der Glaubensvereinigung, zu der der Betroffene Kontakt hält, sowie zu deren möglichen Auswirkungen auf psychisch erkrankte Mitglieder bedurfte es nicht, weil es keinerlei Anhaltspunkte dafür g...