Entscheidungsstichwort (Thema)

Testamentsanfechtung

 

Leitsatz (redaktionell)

Im Rahmen des § 2078 BGB ist nicht das Testament als solches anfechtbar, sondern immer nur die einzelnen in ihm enthaltenen Verfügungen. Die Anfechtung ergreift, wie sich aus dem Wort „soweit” in den Absätzen 1 und 2 der Vorschrift ergibt, nur diejenigen in einem Testament enthaltenen Verfügungen, für die ein Anfechtungsgrund besteht, auf deren Inhalt also der Irrtum des Erblassers eingewirkt hat.

 

Normenkette

BGB § 2078

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 04.08.1993; Aktenzeichen 16 T 7705/93)

AG München (Aktenzeichen 67 VI 7398/91)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 und 3 gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 4. August 1993 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten zu 2 und 3 haben der Beteiligten zu 1 die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 350 000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die im Jahr 1991 im Alter von 87 Jahren verstorbene Erblasserin war verwitwet und hinterließ zwei Töchter, die Beteiligten zu 2 und 3. Der Nachlaß besteht im wesentlichen aus einem Einfamilienhaus in M.

Die Beteiligte zu 1 ist die Tochter der Beteiligten zu 2 und die Enkelin der Erblasserin. Sie legte dem Nachlaßgericht ein aus zwei DIN-A 4 Blättern bestehendes Schriftstück vor, das wie folgt lautet:

M. den 10.6.1990

Testament

Hiermit bestimme ich …, als meinen letzten Willen folgendes: Zu meiner Alleinerbin bestimme ich meine Enkeltochter, … (Beteiligte zu 1) … Gleichzeitig verfüge ich als meinen letzten Willen, daß meine beiden Zwillingstöchter … (Beteiligte zu 3) … und … (Beteiligte zu 2) … enterbt werden, also ihnen auch kein Pflichtteil zustehen soll. Diese Verfügung treffe ich im Hinblick darauf, daß sich meine beiden Kinder mir gegenüber nachhaltig grob undankbar verhalten haben. Ich bin seit Jahren schwer krank, meine Kinder weigern sich, mich zu versorgen oder auch nur stundenweise zu betreuen. Sie wollen mich beide in ein Pflegeheim stecken lassen. Diese Hilfe erhalte ich so gut wie ausschließlich in aufopferungsvoller Weise von meiner Enkeltochter … (obwohl sie berufstätig ist), der deshalb mit dieser Erbeinsetzung ihre langjährige liebevolle Pflegetätigkeit belohnt werden soll. Meine Tochter … hat mir noch vor ca. zwei Monaten meinen baldigen Tod gewünscht u. ich solle doch verrecken. Sie hat mir auch die nötigen Wasser-Herztabletten einzugeben unterlassen, so daß die Enterbung mehr als gerechtfertigt ist. Für Übernachtung und Frühstück bezahle ich immer bei … Nicht anders verhält es sich bei meiner anderen Tochter …., die es abgelehnt hat, mich auch nur stundenweise zu betreuen.

Seite 2 10.6.1990 Auch bei … u. ihrem Mann habe ich für jeden Handgriff mehr als nötig bezahlt. … der Freund meiner Tochter … hat mich schon öfters im betrunkenen Zustand beschimpft u. geschlagen. Leider hilft meine Tochter zu ihm.

Unter diesem Text steht, mit einem anderen Schreibgerät niedergeschrieben, das Wort „zugegen”, daneben zwei Unterschriften, die von der Tochter und dem damaligen Lebensgefährten der Beteiligten zu 1 stammen. Das Blatt trägt ferner zwei Unterschriften dritter Personen, denen jeweils ein Firmenstempel und das Datum des 12.6.1990 hinzugefügt sind.

Dem Antrag der Beteiligten zu 1, ihr aufgrund dieses Testaments einen Erbschein als Alleinerbin zu erteilen, sind die Beteiligten zu 2 und 3 entgegengetreten. Beide haben geltend gemacht, das Testament stamme nicht von der Erblasserin. Sie sei im Zeitpunkt seiner Errichtung auch nicht mehr testierfähig gewesen. Die Beteiligte zu 3 legte zwei handschriftliche letztwillige Verfügungen vom 29.4.1989 und vom Mai 1989 vor, nach denen sie als Erbin eingesetzt sei.

Die Beteiligte zu 2 hat die letztwillige Verfügung vom 10.6.1990 angefochten, weil die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1 auf einem Irrtum der Erblasserin über das Verhalten ihrer Töchter, insbesondere der Beteiligten zu 2, und die von ihnen erbrachten Betreuungsleistungen beruhe. Sie hat die Erteilung eines Erbscheins beantragt, wonach die Erblasserin aufgrund gesetzlicher Erbfolge von den Beteiligten zu 2 und 3 jeweils zur Hälfte beerbt worden sei.

Das Nachlaßgericht hat nach umfangreichen Ermittlungen mit Beschluß vom 21.12.1992 die Erteilung des von der Beteiligten zu 1 beantragten Alleinerbscheins angekündigt. Hiergegen hat die Beteiligte zu 2 Beschwerde eingelegt. Die Beteiligte zu 1 ist dem Rechtsmittel entgegengetreten und hat am 3.3.1993 ein weiteres von der Erblasserin geschriebenes und unterschriebenes Schriftstück vorgelegt, das folgenden Wortlaut hat:

6.8.90

Erklärung.

Hiermit erkläre ich, … daß ich meiner Enkelin Frau … (Beteiligte zu 1) … mein Haus u. Grundstück ohne Gegenleistung überlasse, da sie sich die ganze Zeit um mich sehr liebevoll kümmerte. Ich bin bei einwandfreiem geistigem Verstand, nur körperlich gebrechlich.

Mit Beschluß vom 31.3.1993 hat das Nachlaßgericht der Beschwerde nicht abgeholfen. Vor dem ...

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