Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterbringungssache
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen, insbesondere zur Verhältnismäßigkeit einer vorläufigen Unterbringung wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, wenn Eheleute ihren volljährigen Sohn gewaltsam aus dem Familienbereich seiner Freundin holen wollen.
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 2 S. 2; UnterbrG Art. 1 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Bayreuth (Aktenzeichen 15 T 126/00) |
AG Bayreuth (Aktenzeichen XIV L 185/00 und 186/00) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts Bayreuth vom 24. Januar 2001 wird zurückgewiesen.
II. Der Beschluß des Landgerichts Bayreuth vom 24. Januar 2001 wird aufgehoben, soweit er die Betroffene zu 2 betrifft.
III. Es wird festgestellt, daß die Anordnung der vorläufigen Unterbringung der Betroffenen zu 2 gemäß Beschluß des Amtsgerichts Bayreuth vom 20. August 2000 nicht rechtmäßig erfolgt ist.
IV. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Betroffenen zu 2 werden der Stadt Bayreuth auferlegt.
V. Der Geschäftswert für die Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf jeweils 5 000 DM festgesetzt.
VI. Die durch die vorläufige Unterbringung entstandenen Unterbringungs- und Heilbehandlungskosten für die Betroffene zu 2 werden der Stadt Bayreuth auferlegt, soweit nicht ein Träger der Sozialversicherung leistungsverpflichtet ist oder die Betroffene Kostenersatz von einer privaten Krankenversicherung erlangen kann.
Gründe
I.
Der damals 21 Jahre alte Sohn der beiden Betroffenen hatte sich während seines Studiums in Schweden sehr stark von seinen Eltern entfremdet. Diese entwickelten deswegen wahnhafte Vorstellungen. Sie meinten, der Sohn stehe unter dem hypnotischen Einfluß fremder Kräfte.
Als sich der Sohn während der Ferien in seiner Heimatstadt bei den Eltern seiner Freundin, den Eheleuten B., aufhielt, versuchten die Betroffenen mehrfach vergebens, Kontakt zu ihm herzustellen. Am 19.8.2000 begab sich zunächst der Betroffene zu 1 zum Anwesen der Familie B. Um einen Eklat zu vermeiden, begleitete der Sohn den Betroffenen auf die Straße, um dort ein Gespräch zu führen. In dessen Verlauf gab der Betroffene dem Sohn eine Ohrfeige und umklammerte ihn mit den Armen. Ein Anwohner und herbeigerufene Polizeibeamte trennten die beiden. Der Sohn begab sich zurück in das Anwesen B. Dort erschienen kurze Zeit später auch die beiden Betroffenen. Als auf ihr Klingeln nicht geöffnet wurde, entriegelte die Betroffene zu 2 das Gartentor. Beide Betroffene betraten das Anwesen und, nachdem die Haustüre von einem Bewohner geöffnet wurde, auch das Haus. Dort kam es zu einer körperlichen Auseinandersetzung mit dem Sohn, die sich im Garten fortsetzte. Die hinzugekommenen Polizeibeamten trennten die Betroffenen gewaltsam von ihrem Sohn und drängten sie auf die Straße. Der Betroffene zu 1 leistete Widerstand und rangelte mit den Beamten. Diese überwältigten ihn und verbrachten ihn in das Bezirkskrankenhaus. Die Betroffene zu 2 begab sich nach Hause. Als sie bemerkte, daß sie keinen Hausschlüssel dabei hatte, wollte sie diesen von ihrem Mann holen. Im Bezirkskrankenhaus wurde sie auf Grund ihrer Äußerungen einbehalten.
Das Amtsgericht ordnete am 20.8.2000 nach Anhörung beider Betroffener mit sofortiger Wirksamkeit deren vorläufige Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus längstens bis 1.10.2000 an. Bei der Betroffenen zu 2 wurde zudem die parenterale Gabe von Medikamtenten nach Anordnung des Arztes für zulässig erklärt. Für beide Betroffene wurde ein Verfahrenspfleger bestellt. Der Betroffene zu 1 wurde am 23.8., die Betroffene zu 2 am 29.8.2000 aus dem Bezirkskrankenhaus entlassen.
Die Betroffenen legten jeweils gegen die sie betreffende Entscheidung des Amtsgerichts sofortige Beschwerde ein mit dem Ziel, die Rechtswidrigkeit der jeweiligen Maßnahme festzustellen. Das Landgericht hat die beiden Verfahren verbunden und die Rechtsmittel zurückgewiesen.
Hiergegen wenden sich die Betroffenen jeweils mit der sofortigen weiteren Beschwerde.
II.
Die sofortigen weiteren Beschwerden sind zulässig. In der Sache hat nur das Rechtsmittel der Betroffenen zu 2 Erfolg.
1. Das Landgericht hat ausgeführt, daß die sofortigen Beschwerden der Betroffenen trotz zwischenzeitlicher Hauptsacheerledigung zulässig seien. Die Anordnung der vorläufigen Unterbringung durch das Amtsgericht sei in beiden Fällen rechtmäßig gewesen. Beide Betroffene litten unter paranoiden Störungen, die im Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation ICD 10 unter F 22.0 und F 24.0 beschrieben seien. Diese Störungen beträfen das Verhältnis zu ihrem Sohn. Obwohl sie im übrigen über einen gut entwickelten Verstand verfügten, seien die Betroffenen nicht in der Lage, das dem Außenstehenden ohne weiteres erklärbare Verhalten ihres Sohnes realistisch zu begreifen und als normalen Abnabelungsprozeß gefühlsmäßig zu verarbeiten. Sie glaubten in diesem Zusammenhang an den Einfluß fremder, übernatürlicher Kräfte, die im Wege der Fernhypnose au...